Bericht über den gemeinsamen Europatag des Rhein-Kreises Neuss und der euregio rhein-maas-nord am 16.05.2023 in der Sparkasse Neuss und in der Europazentrale von Viking Europa, Venlo
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Im vollbesetzten „Forum“ der Sparkasse Neuss begrüßte Landrat Petrauschke am 16.Mai 2023 80 Schüler/innen mit ihren Lehrer/innen aus drei Europaschulen des Rhein-Kreises Neuss (BBZ Neuss- Weingartstr. Klasse „Banken und Handel“, Marie-Curie-Gymnasium, Georg-Büchner-Gymnasium und vom Broekhin-College aus Roermond, das mit über 40 Schüler/innen vertreten war) zum gemeinsamen Europatag des Rhein-Kreises Neuss und der euregio rhein-maas-nord mit einem hartelik welkom; er freue sich, dass er als Landrat einer europaaktiven Kommune heute den gemeinsamen Europatag mit der euregio rhein-maas-nord eröffnen könne, denn in der heutigen Zeit sorgten sich die jungen Leute nicht nur um den Klimawandel es gehe Ihnen auch um eine gute Ausbildung bzw. Studium, und eine gute Ausbildung sei Voraussetzung für ein selbstbestimmtes (Arbeits-)Leben sei. Die heutige Veranstaltung zeige, dass es in einem friedlichen Europa keine Grenzen mehr gebe, doch habe der Krieg in der Ukraine deutlich gemacht, dass die Werte der EU wie Freiheit und friedliches Zusammenleben seit dem vergangenen Jahr nicht mehr selbstverständlich seien und diese jeden Tag neu erkämpft werden müssten. Der jährliche Europatag, den die beiden Veranstalter wegen der Ferienwoche in den Niederlanden auf den heutigen Tag verschieben mussten, ehre den französischen Außenminister Robert Schumann, der nach dem Krieg einen Vorschlag zur Zusammenlegung von Kohle und Stahl gemacht habe, und Deutschland nur fünf Jahre nach dem Krieg eingeladen haben, Mitglied in dem ersten europäischen Zusammenschluss zu werden, was einen großen Vertrauensvorschuss bedeutet habe. Aus der dann ein Jahr später gegründeten Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl habe sich im Laufe der Jahrzehnte die heutige EU entwickelt. Die jetzige politische Situation zeige, dass das bis vor Kurzem Undenkbare, nämlich, dass es nie wieder Krieg auf dem europäischen Kontinent geben könne, eingetreten, und das europäische Modell heute gefährdet sei und daher geschützt werden müsse. Petrauschke appellierte daher an die anwesenden Schüler/innen, sich für eine gute Zukunft aufzustellen, d.h. sich auf den Weg zu machen und sich um eine gute Ausbildung zu kümmern, zu der auch die Themen Digitalisierung und Mobilität gehörten. Es gelte positiv in die Zukunft zu blicken und offen für Veränderungen und die spätere Übernahme politischer Ämter zu sein. Abschließend dankte Petrauschke der Sparkasse Neuss für die erneute Gastfreundschaft und den angenehmen Rahmen im „Forum“.
Zu Beginn seiner Begrüßung hieß Carsten Proebster, Mitglied des Vorstands der Sparkasse Neuss, alle Teilnehmer/innen des Europatages herzlich willkommen und betonte, dass der Sparkasse Europa schon immer am Herzen gelegen habe, denn es gehe darum die geltenden Grundwerte in der EU zu leben, wie menschliche Zusammenarbeit in Freiheit und Vielfalt, die Werte der Demokratie dürften niemals unterschätzt werden. Er freue sich, dass der heutige Europatag in der Sparkasse Neuss ausgerichtet werde, weil das Leben in der EU so einfach geworden sei, mit nur einer Währung und der Freiheit, die Ausbildung, von Schule bis Ehrenamt, in der EU frei zu wählen. In einem Jahr seien wieder Europawahlen und erstmals seien Jugendliche ab 16 Jahren wahlberechtigt, er sei daher gespannt zu erfahren, was junge Menschen heute von der Arbeitswelt erwarteten. In diesem Zusammenhang betonte Proebster, dass die viel hervorgehobene Digitalisierung keinesfalls nur eine Gefahr darstelle, es würden zwar frühere Arbeitsplätze wegfallen, doch auch neue Berufsbilder entstehen, z.B. im Zusammenhang mit der Industrie 4.0, im Bereich Logistik, beim autonomen Fahren und im Gesundheitsbereich. So werde die Sparkasse Neuss z.B. als Ersatz für die Telefonfiliale bald einen Sprachroboter einsetzen, damit für die Kund/innen Wartezeit wegfalle und damit die Zufriedenheit gesteigert werden könne, zugleich bedeute dies auch eine Entlastung der Mitarbeiter/innen, die sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren könnten. In Zukunft werde es immer mehr sog. Lernnuggets geben, dazu gehöre auch die neue Software Chat GTI, die die Berufswelt nachhaltig verändern würden, und z.B. zu technikafinen Arbeitsplätzen und veränderten Arbeitszeiten führen würden.
Im Rhein-Kreis Neuss gebe es bereits einen erheblichen Arbeitskräftemangel und viel freie Stellen, die jederzeit angetreten werden könnten. Proebster riet zum Abschluss den jungen Leuten, einen Beruf/einen Arbeitsplatz zu wählen, der Freude mache und sinnhaftig sei und eine persönliche Entwicklung ermögliche. Für die zukünftigen Arbeitgeber werde es darum gehen herauszufinden, wie junge Menschen angeworben und später durch einen attraktiven Arbeitslatz gehalten werden könnten. Er wünsche daher jetzt einen erfolgreichen Vormittag und übergebe das Wort an Frau Hajjoubi von der euregio rhein-maas-nord.
In einer interaktiven Frage-Antwortrunde mit Unterstützung von Kahoot erarbeitete Maike Hajjoubi, die Geschäftsführerin der euregio rhein-maas-nord, gemeinsam mit den Schüler/innen die Funktion und Aufgaben des deutsch-niederländischen Zweckverbandes; es gehe vorrangig für ihre kommunalen Mitglieder und Organe darum, noch bestehende Grenzen für das Zusammenkommen und -Leben im Grenzraum abzubauen, so dass Einkauf, Freizeit, Urlaub, Schul- und Ausbildung je nach Wunsch im deutschen Teil der euregio, also im Niederrhein-Gebiet oder im niederländischen Teil, also in Nord- und Midden-Limburg möglich sei, dazu gehöre auch der Austausch von Schulklassen.
Danach wurden die Schüler/innen nach den typischen Unterschieden zwischen Deutschen und Niederländer/innen gefragt und anhand der Umfrageergebnisse erklärt, wie z.B., die Pünktlichkeit auf deutscher Seite, das Duzen, die Klompen und den Käse auf der anderen Seite, die rechtlichen Hürden für eine Zusammenarbeit im Bereich Katastrophenschutz im deutsch-niederländischen Grenzraum, die Vorteile eines Aufenthaltes im jeweils anderen Teil der euregio wie Sprache lernen, Kultur kennenlernen und Erweiterung des persönlichen Horizonts; interessant waren die Ergebnisse zu den Fragen nach den notwendigen Fähigkeiten für ein Arbeiten im EU-Ausland (hier bestand Einigkeit für Mobilität und Flexibilität) und nach der Frage, was einen Arbeitsplatz attraktiv macht, einvernehmlich wurde hier an erster Stelle die Höhe des Gehalts (41%), die flexible Arbeitszeit (19 %) und der Spaß an der Arbeit (14 %) genannt.
Aufbauend auf diesen Ergebnissen legte Arnd Thierfelder, stellv. Geschäftsführer Berufliche Bildung und Leiter Fortbildung und Fachkräfteberatung bei der IHK Mittlerer Niederrhein die Herausforderungen der Unternehmen im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel und der Bindung von Arbeitskräften dar. Es hätten sich die Erwartungen sowohl auf Seiten der Arbeitgeber als auch auf Seiten der Arbeitnehmer/innen verändert, für Unternehmen gehe es heute darum, die richtigen Mitarbeiter/innen für den richtigen Arbeitsplatz zu finden. Dies habe zu einer Änderung im recruitment geführt, früher wurden Mitarbeiter/innen über Anzeigen gefunden, heute über Videos, in denen nicht nur der Arbeitsplatz und das Umfeld beschrieben, sondern auch die benefits über das Gehalt hinaus vorgestellt würden, wie z.B. die Gestellung einer Wohnung, finanzielle Anreize, die persönliche technische Ausstattung, home office, flexible Arbeitszeiten, die zeitliche Planung für die mögliche persönliche Karriereentwicklung mit Aussicht auf eine frühe Verantwortung und schnelle Entscheidungswege, die Sicherheit des Arbeitsplatzes, Gesundheitsmanagement, Jobticket und/oder Parkplatz mit Dienstfahrzeug und Kantine/catering und natürlich die Altersversorgung. Zu den selbstverständlichen Angeboten eines Unternehmens gehöre heute auch die berufliche Förderung von Frauen mit dem Angebot entsprechender Aufstiegschancen in Verbindung mit dem Angebot einer Kinderbetreuung und einer Kita.
Um diese interessanten herausgearbeiteten Daten und Fakten mit den Schüler/innen diskutieren und auch um die Erfahrungen von deutschen und niederländischen Unternehmen vorstellen zu können, folgte dann eine angeregte Diskussion, der eine Vorstellungsrunde der Unternehmensvertreter vorgeschaltet war:
Benjamin Küsters, Geschäftsführer vom Gartenhof Küsters in Neuss berichtete, dass sein Unternehmen 120 Mitarbeiter/innen habe und zusätzlich 20 Auszubildende, Haupttätigkeitsfeld sei der Garten- und Landschaftsbau, d.h. die Anlage von privaten Gärten und Innenhöfen, aber auch von Firmengärten. Es gebe jedes Jahr zwischen 80 und 90 Bewerber/innen für die Ausbildungsplätze, deren Auswahl einmal durch persönliche Gespräche mit der Firmenleitung erfolge, und zum anderen durch die einzelnen Teams im Unternehmen, d.h.es gehe darum herauszufinden, ob die Persönlichkeit des Bewerbers/der Bewerberin in das Unternehmen passe. Zudem führe er selbst Gespräche mit den Bewerber/innen für die individuelle Karriereplanung, dazu gehöre auch das Angebot von Auslandsaufenthalten in Europa und Übersee.
Herr Marten Schlöbe, Leiter Personalbereich, RWE Power AG, erläuterte, dass RWE Power sowohl eine gewerblich-technisch (z. B. Industriemechaniker oder im Bereich Renewables bzw. Erneuerbare Energien) als auch eine kaufmännische Ausbildung anbiete, insgesamt bilde das Unternehmen in 17 Ausbildungsberufen aus. Das Ausbildungszentrum befinde sich in Grevenbroich, jedes Jahr stelle das Unternehmen 170 Auszubildende ein; diese erhielten verschiedene moderne Lehrangebote, wie Lernsoftware, Laptops und die regelmäßige Interaktion mit den Ausbildern. Die Ausbildungsergebnisse zeigten, dass die Auszubildenden für eine spätere Karriere nicht nur bei RWE Power gut gerüstet seien. Das große Thema im Rahmen der Ausbildung bei RWE Power sei die Energiewelt von morgen, d.h. die Dekarbonisierung des Rheinischen Reviers durch den Ausbau von Windkraft und Wasserstoff, die Errichtung von Offshore-Parks, von Gaskraftwerken und Fotovoltaikanlagen. Um frühzeitig für das Unternehmen zu werben, gehe RWE Power in die Schulen und biete ab Klasse 8 eine Beratung bzw. Information über die Ausbildungsberufe an, selbstverständlich biete RWE Power in diesem Zusammenhang auch Betriebsbesichtigungen an (zum Thema Rekultivierung und Windparks), damit sich die Jugendlichen ein Bild von dem Unternehmen und seinen Arbeitsbereichen machen könnten.
John van Helden, Geschäftsführer von Yookr for living Datain Horst, einem Unternehmen, das Data Science für landwirtschaftliche Betriebe und Gewächshäuser anbietet, machte deutlich, dass seine Firma ein Beispiel für ein kleines Unternehmen mit nur 7 Mitarbeiter/innen; hier sei klar, dass alle Mitarbeiter/innen früh Verantwortung übernehmen müssen und es ohne Teamarbeit nicht gehe.
Mateuß Brudek, Teamleiter Arbeitgeber-Service Ausbildungsstellenvermittlung, und Philipp Scharner, Teamleiter Berufsberatung vor dem Arbeitsleben, beide Agentur für Arbeit Neuss berichteten aus ihrer Erfahrung von der Berufsberatung und stellten fest, dass zur Zeit IT - und technische Berufe gefragt seien, zudem bestehe auch die Bereitschaft für ein zweites Beratungsgespräch, wenn junge Menschen feststellten, dass sie bei der ursprünglichen Wahl der Ausbildung ihre persönlichen Interessen nicht hätten wiederfinden können.
In einer abschließenden Fragerunde erbat Ludger Kazmierczak, der souveräne zweisprachige Vorzitter (niederländisch) bzw. Moderator (deutsch) des Europatages, der auch immer wieder eine kurze niederländische Übersetzung der deutschen Redebeiträge gab, um eine kurze Auskunft, welche Unterschiede die Unternehmensvertreter bei den jungen Leuten gestern und heute festgestellt hätten und wer zur Zeit ausländische Auszubildende in seinem Unternehmen habe:
Herr Küsters erläuterte, dass er bei den Auswahlgesprächen im Gegensatz zu früher Wert auf die kreative Darlegung der persönlichen beruflichen Entwicklung lege, dies aber auch immer vom Alter der Bewerberin/des Bewerbers abhängig sei, jedenfalls sei für ihn wichtig, in dem Gespräch zu spüren, dass der junge Mensch Lust auf die Ausbildung und persönliches Fortkommen habe. Zudem teilte er stolz mit, dass er zur Zeit Auszubildende aus 19 Nationen im Unternehmen habe, auch niederländische Mitarbeiter/innen.
Herr Schlöbe teilte mit, dass die jungen Leute heutzutage die Erwartung hätten, dass die Ausbildung Spaß machen müsse und für einen soliden Unterrichtet moderne Medien eingesetzt würden. Da RWE einen Standort in den Niederlanden habe, gebe es natürlich auch niederländische Auszubildende.
Die Herren Scharner und Brudek betonten, dass im Gegensatz zu früheren Zeiten die Jugendlichen vermehrt nach Praktika fragten, was für sie auch nachvollziehbar sei, da es viele neue Berufe gebe. Es hätten sich aber bisher keine niederländischen Auszubildende in Neuss gemeldet.
Herr van Helden informierte, dass er in seinem kleinen Betrieb im Moment keine ausländischen Mitarbeiter/innen habe.
In diesem Zusammenhang erläuterte Frau Hajjoubi, dass beide Seiten nicht das jeweils andere Ausbildungssystem kennen würden, daher sei der für heute Nachmittag geplante Besuch bei Viking in Venlo eine Chance, diese Wissenslücke zu schließen, zumal hier nach deutschen Recht ausgebildet wird.
Herr Kazmierczak schloss mit dem Hinweis, dass es noch viel Bedarf für einen gegenseitigen Wissensaustausch gebe, den Vormittagsteil des Europatages und wünschte nach dem gemeinsamen Imbiss einen interessanten Besuch der Europazentrale von Viking in Venlo.
Besuch der Europazentrale von Viking in Venlo
Nach einer guten Stunde Fahrt begrüßte Ton Raijmakers, Manager für die Beneluxregion und Leiter des Personalwesens, die Schüler/innen und begleitenden Lehrer/innen zu einem ausführlichen Unternehmensbesuch in der Europazentrale in Venlo.
Zu Beginn stellte Herr Raijmakers das Unternehmen ausführlich vor, die Europazentrale sei an diesem Standort 1997 errichtet worden, das Unternehmen verkaufe Bürobedarf und –material, der Einkauf der Kunden erfolge entweder über einen der Produktkataloge oder online. Es gebe keine eigenen Produktionsstandorte für die Büromaterialien, doch habe man mit den verschiedenen Herstellern Vereinbarungen zur Nachhaltigkeit und der Beachtung von Menschenrechten getroffen.
In Venlo befinde sich das commercial center, darüber hinaus gebe es in Großwestheim in der Nähe von Frankfurt, das distribution center und in Österreich das customer service center. An dem Standort Venlo arbeiteten 550 Mitarbeiter/innen von über 35 Nationen, u.a. gebe es 200 deutsche Mitarbeiter/innen; man sei stolz, dass von jedem Kontinent mindestens ein/e Mitarbeiter/in im Unternehmen arbeite. Die Hauptsprache sei aufgrund der internationalen Zusammensetzung der Mitarbeiter/innen natürlich Englisch. Die Arbeitsbedingungen seien entsprechend den internationalen Erwartungen, es gebe home office, 36 Tage Urlaub, Fortbildungen und Sportangebote. Es gebe drei Ausbildungsberufe bei Viking, für die man sich bewerben könne, den media designer, Groß- und Einzelhandelskauffrau bzw.-mann und das dialog marketing, natürlich seien für alle drei Ausbildungsgänge Flexibilität und Verständnis für ein internationales Umfeld Voraussetzung.
Im Anschluss gab es in mehreren Gruppen eine Führung durch die verschiedenen Abteilungen und die Schüler/innen zeigten sich beeindruckt, ob des offenen Arbeitsumfeldes und der internationalen Ausrichtung. Mit dem Angebot von Herrn Raijmakers an die Schüler/innen sich bei Viking bewerben zu dürfen, ging der Besuch zu Ende und es ging mit dem Bus zurück nach Neuss.