23 EU-Mitgliedstaaten unterzeichnen Vereinbarung für eine Strukturierte Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung
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Bei einem lange vorbereiteten Treffen von Außen- und Verteidigungsministern aus 23 EU-Mitgliedstaaten am 13.11.2017 in Brüssel wurde im Rahmen einer feierlichen Zeremonie eine engere militärische Zusammenarbeit für die Zukunft unterzeichnet. Neben Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien unterzeichneten Polen, Ungarn und 17 weitere EU-Staaten ein Papier der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation = PESCO). Mit der PESCO wird es den EU-Mitgliedstaaten ermöglicht, Verteidigungsmöglichkeiten gemeinsam zu entwickeln, in gemeinsame Rüstungsprojekte zu investieren und die operative Einsatzbereitschaft zu verbessern.
Die Unterzeichnung ist ein erster Schritt zur Begründung der PESCO, d.h. im Folgenden muss der Rat (Auswärtiges) hierzu noch einen Beschluss fassen (voraussichtlich am 11.12.2017). Sobald die PESCO dann offiziell begründet ist, können und sollen die EU-Mitgliedstaaten eine Liste von Projekten vereinbaren, z.B. in den Bereichen Ausbildung, Fähigkeitenentwicklung und operative Einsatzbereitschaft.
Die PESCO umfasst folgende Inhalte:
- die Grundsätze der PESCO, wobei insbesondere darauf hingewiesen wird, dass die PESCO ein ehrgeiziger, verbindlicher und inklusiver europäischer Rechtsrahmen für Investitionen in die Sicherheit und Verteidigung des Gebiets der EU sowie deren Bürgerinnen und Bürger ist;
- die Liste ehrgeiziger und verbindlicherer gemeinsamer Verpflichtungen, die die betroffenen Mitgliedstaaten eingehen wollen, einschließlich einer regelmäßigen realen Aufstockung der Verteidigungshaushalte, um die vereinbarten Ziele zu erreichen;
- Vorschläge für die Steuerung der PESCO, mit einer übergeordneten Ebene zur Gewährleistung der Kohärenz (Übereinstimmung) der PESCO und der mit ihr verfolgten Ziele, ergänzt durch spezifische Steuerungsverfahren auf Projektebene.
Nach dem Beschluss im Außenministerrat soll noch im Dezember eine engere militärische Kooperation mit dem Aufbau eines von Deutschland und Frankreich angestoßenen Sanitätskommandos begonnen werden.
Es haben folgende EU-Mitgliedstaaten die PESCO unterzeichnet: Österreich, Belgien, Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Zypern, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Rumänien, Slowenien, die Slowakei, Spanien und Schweden. Andere Mitgliedstaaten können zu einem späteren Zeitpunkt beitreten, wenn die dafür notwendigen Voraussetzungen vorliegen.
Die Vizepräsidentin und Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, bezeichnete die Unterzeichnung als historisch.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte schon 2014 eine engere Koordinierung in der Verteidigungspolitik angemahnt und gesagt: "Ich denke, wir sollten die im EU-Vertrag vorgesehenen Bestimmungen ernster nehmen, die es den europäischen Ländern, die das wünschen, erlauben, stetig eine gemeinsame europäische Verteidigungsfähigkeit aufzubauen. Ich weiß dass das nicht allen Ländern gefällt. Aber die Länder, die vorangehen wollen, sollten dazu ermutigt werden. Europäische Verteidigungskapazitäten zu bündeln macht ökonomisch absolut Sinn".
Hintergrund:
Der Vertrag von Lissabon sieht in Art. 42 Abs. 6 in Verbindung mit Art. 46 des Vertrages über die Europäische Union (AEUV) die Möglichkeit einer Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor. Neben den teilnehmenden Mitgliedstaaten können jederzeit weitere interessierte EU-Mitgliedstaaten sich der PESCO anschließen.
Europäische Kommission will Mobilität des Militärs in der EU verbessern
Einen Tag zuvor, am 10.11.2017 hatte die Europäische Kommission Vorschläge vorgelegt, wie die Mobilität des Militärs verbessert und bestehende Hindernisse für die Bewegung von militärischer Ausrüstung und militärischem Personal im EU-Raum beseitigt werden können. Diese sind:
- Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses des Bedarfs und der Anforderungen, die von den Mitgliedstaaten eingehender untersucht und einvernehmlich bestimmt werden müssen;
- Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der zu nutzenden Infrastruktur und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Infrastrukturnormen;
- Behandlung relevanter rechtlicher und verfahrenstechnischer Fragen (Zollformalitäten, Gefahrgüter, sonstige rechtliche Beschränkungen, einzelstaatliche Verfahren).
Was die Infrastruktur angeht, schlägt die Europäische Kommission vor, das transeuropäische Verkehrsnetz für den Transport miteinzubeziehen, z.B. durch die Doppelnutzung für zivile und militärische Zwecke oder auch die Nutzung der Faszilität "Connecting Europe" (gewährt EU-Unterstützung für Infrastrukturprojekte in den Bereichen Energie, Umwelt und Verkehr).
Anlässlich der Erläuterung der Mitteilung sagte Federica Mogherini: "Die Sicherheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger ist für die Union vorrangig und wir müssen in der Lage sein, auf Krisensituationen innerhalb wie auch außerhalb der EU durch eine Bündelung verschiedener Initiativen wirksam zu reagieren und eine "Europäische Union, die schützt" zu schaffen. Durch die Umsetzung des im letzten Jahr vorgeschlagenen Verteidigungspakets haben wir bereits Riesenfortschritte erzielt. Wir fügen dem nun einen spezifischen, aber äußerst realen Bereich der militärischen Mobilität hinzu, in dem selbst reinste Routinebewegungen in der Praxis Schwierigkeiten bereiten".
Die für das Thema Verkehr zuständige EU-Kommissarin, Violeta Bulc, ergänzte: "Es ist höchste Zeit, dass wir nach besseren Synergien zwischen der zivilen und der militärischen Nutzung unseres Verkehrsnetzes Ausschau halten. Auf dem Spiel steht unsere gemeinsame Sicherheit." Die Souveränität der Mitgliedstaaten bleibt dabei unangetastet. Es sollen Synergien mit zivilen Aktivitäten geschaffen, ohne die zivile Nutzung der Infrastruktur zu beeinträchtigen oder unnötige Belastungen zu verursachen. Jede Maßnahme wird nicht nur zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, sondern auch mit anderen beteiligten Akteuren wie etwa der NATO koordiniert".
Mogherini und Bulc wollen bis März 2018 den EU-Mitgliedstaaten einen Aktionsplan zur militärischen Mobilität vorlegen; dieser soll Empfehlungen zu einzelnen Maßnahmen, zu den ausführenden Akteuren sowie ehrgeizige Fristen umfassen, um die festgestellten Hindernisse für die militärische Mobilität im europäischen Raum abzubauen. Dabei sollen auch die Ergebnisse der von der Europäischen Verteidigungsagentur eingerichteten Ad-Hoc-Arbeitsgruppe miteinbezogen werden.
Quelle und weitere Informationen:
- EU-Aktuell vom 10.11.2017
- EU-Aktuell vom 13.11.2017
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (15.11.2017) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.