Staats- und Regierungschefs einigen sich auf EU-Gipfeltreffen Ende Juni auf einen "Pakt für Wachstum und Beschäftigung" und auf die Einrichtung einer einheitlichen europäischen Bankenaufsicht
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Auf ihrem Gipfeltreffen am 28./29. Juni 2012 in Brüssel haben sich die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedstaaten auf einen "Pakt für Wachstum und Beschäftigung" und auf eine zukünftige Vereinheitlichung der Bankenaufsicht in allen Euro- Mitgliedstaaten geeinigt. Die Staats- und Regierungschefs bekräftigten im Zuge der wieder aufgeflammten Staatsschuldenkrise in Spanien und Italien ihre Entschlossenheit, die Wirtschafts- und Währungsunion zu erhalten und diese auf Dauer auf eine stabilere Grundlage zu stellen.
Die Bankenkrise in Spanien war mit Anlass für den Beschluss; Spanien benötigt bis zu 100 Mrd. € für die Rettung seiner maroden Banken und muss, da bisher nur Staaten Finanzhilfen aus dem EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität) beantragen können, seine Schuldenlast entsprechend erhöhen und für die bewilligten Gelder auch haften (was in der Folge zu höheren Zinsen bei der Ausgabe von Staatspapieren führen kann). Auf dem Gipfel wurde Spanien und Italien dahingehend entgegengekommen, dass die beantragten Finanzmittel für die Restrukturierung des Bankensektors nicht vor denen von Privatgläubigern zurückgezahlt werden müssen, was diesen die Beteiligung an der Bereitstellung von Finanzmitteln erleichtern soll. In diesem Zusammenhang machten die Staats- und Regierungschefs klar, dass, solange es noch keine einheitliche Bankenaufsicht gibt, EU-Mitgliedstaaten weiterhin evtl. benötigte Finanzmittel für Problembanken selbst beantragen und auch dafür haften müssen.
Anfang September 2012 will die Europäische Kommission Vorschläge zur Ausgestaltung der Bankenaufsicht vorlegen und aufzeigen, wie diese funktionieren soll, schon jetzt steht fest, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Bankenaufsicht für die Eurozone übernehmen soll. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte bei seinem Besuch in Griechenland am 26.07.2012, die Übernahme dieser Aufgabe durch die EZB werde zu mehr Vertrauen und damit zu mehr Finanzstabilität führen. Die EZB ist bisher für Aufgaben der Währungspolitik zuständig (u.a. Sicherung einer Inflationsrate knapp unter 2%) und muss für die Übernahme der Bankenaufsicht eine neue Arbeitseinheit aufbauen.
Es ist das Ziel von Kommissionspräsident Barroso, dass das neue Regelungswerk zur Bankenaufsicht bis Jahresende (nach einer einheitlichen Billigung durch die Staats- und Regierungschefs) steht.
Sobald die einheitliche Bankenaufsicht eingerichtet ist, sollen Banken, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, direkt Gelder aus dem ständigen Euro-Rettungsschirm ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) beantragen und erhalten können. Mit den Finanzkrediten werden entsprechende Auflagen verbunden sein.
Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte nach dem Gipfel. "Wir sind unserem Prinzip Keine Leistung ohne Gegenleistung treu geblieben". Dass der ESM direkt Gelder an die Banken ausgeben dürfe, sei dann akzeptabel, "wenn wir eine verlässliche Aufsichtsbehörde haben". In diesem Zusammenhang brachte die Kanzlerin ihr Vertrauen in die EZB zum Ausdruck. "Mein Vertrauen in die EZB ist groß", fügte Sie hinzu. Die Entscheidung über die Gewährung von Finanzhilfen an Banken und die damit verbundenen Auflagen muss unter der neuen Regelung der Rat der EU-Finanzminister einstimmig beschließen.
Der gleichzeitig beschlossene "Pakt für Wachstum und Beschäftigung" soll mit 120 Mrd. € ausgestattet werden und Maßnahmen zur Förderung von Arbeitsplätzen und Wettbewerbsfähigkeit finanziell unterstützen. Von dieser Summe sind jedoch lediglich 10 Mrd. € "frisches" Geld, das die Europäische Investitionsbank zur Aufstockung ihres Kapitals erhalten soll, um ihre Kreditvergabe auf 60 Mrd. € aufstocken zu können; zum 01. Januar 2013 soll die EZB in die Lage versetzt werden, zinsverbilligte Kredite u.a. an innovative kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Forschungs- und Technologiebereich zu vergeben. In diesem Zusammenhang betonten die Staats- und Regierungschefs die Notwendigkeit weiterer Anstrengungen zur Stärkung des Europäischen Forschungsraums; es müssten weitere Anstrengungen unternommen werden, damit Forschungsergebnisse rascher in marktrelevante Innovationen umgesetzt werden könnten. So sei eine Verbesserung der Investitionsmöglichkeiten für innovative Start-up-Unternehmen und KMU erforderlich.
Gleichzeitig gaben die Staats- und Regierungschefs grünes Licht für die Ausgabe von sog. Projektanleihen, diese sollen private Investitionen in Höhe von 4,5 Mrd. € für große Infrastrukturvorhaben in den Bereichen Verkehr, Energie und Breitband bewirken. Ein weiterer Betrag in Höhe von 55 Mrd. € soll aus bisher nicht genutzten EU-Strukturfondsmitteln zusammengestellt werden und für Projekte zur Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit und für KMU zur Verfügung gestellt werden. So sollen Jugendlichen "innerhalb von wenigen Monaten" nach dem Verlassen der Schule eine Arbeitsstelle, eine weiterführende Ausbildung, ein Ausbildungs- oder ein Praktikumsplatz angeboten werden.
Zur Forderung der Einführung einer Finanztransaktionssteuer stellten die Staats- und Regierungschefs fest, dass der Vorschlag keine Chance habe, in einem realistischen Zeitrahmen angenommen zu werden. Sie kamen daher überein, dass mehrere Mitgliedstaaten einen Antrag auf Begründung einer sog. Verstärkten Zusammenarbeit in diesem Bereich stellen, damit die Steuer im Dezember 2012 angenommen werden kann. Nach den Vorstellungen von Bundeskanzlerin Merkel sollen insgesamt 10 Mitgliedsländer "gefunden" werden, die sich zur Einführung der Finanztransaktionsteuer bereiterklären.
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (27.07.2012) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.