Staats- und Regierungschefs einigen sich auf milliardenschweren Europäischen Aufbauplan und den Neuen Mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 – 2027 – 1,8 Billionen. Euro für die wirtschaftliche Erholung Europas und die drängenden Zukunftsthemen
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Nach vier Tagen und Nächten Verhandlungen haben sich die 27 Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem ursprünglich nur für zwei Tage angesetzten Gipfel in Brüssel auf den Europäischen Aufbauplan („NextGenerationEU“) in Höhe von 750 Mrd. Euro und auf den Neuen Mehrjährigen Finanzrahmen, d.h. den EU-Haushalt für die nächsten sieben Jahre (2021 – 2027) in Höhe von 1.074 Billionen. Euro geeinigt. Unter Vorsitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (Deutschland hat bis Ende 2020 den Vorsitz inne) wurden nach über 90 Verhandlungsstunden für die Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Krise und für die drängenden Zukunftsaufgaben wie die Umstellung der europäischen Wirtschaft auf eine grüne und nachhaltige Produktion und die Digitalisierung eine Gesamtpaket in Höhe von 1,8 Billionen Euro verabschiedet.
Hintergrund:
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedstaaten hatten die Europäische Kommission am 26. März 2020 beauftragt, einen umfassenden Aufbauplan für Europa vorzulegen, damit sich die nationalen Volkswirtschaften wieder erholen und zugleich die entscheidenden Zukunftsaufgaben, der Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft, angegangen werden können. Am 27. Mai 2020 schlug die Europäische Kommission mit „NextGenerationEU“ („Die EU für die nächste Generation“) ein neues Aufbauinstrument vor, das zugleich in den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen ab 2021 eingebettet sein soll. Die für den Europäischen Aufbauplan vorgesehenen Finanzmittel sollten zum größten Teil als Zuschüsse (500 Mrd. Euro) und zum kleineren Teil als Darlehen (250 Mrd. Euro) an die EU-Mitgliedstaaten vergeben werden.
Mit dem Aufbauplan „NextGenerationEU“ werden folgende Ziele verfolgt:
- einen fairen sozioökonomischen Aufbau voranzutreiben,
- den Binnenmarkt wiederzubeleben und zu stärken,
- gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten
- die dringend notwendigen Investitionen für den vor allem notwendigen ökologischen und digitalen Wandel zu unterstützen, um
- insgesamt den Wohlstand und die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) des künftigen Europas zu stärken.
Mit dem Vorschlag für einen europäischen Aufbauplan verbindet sich die feste Zielsetzung, dass die zusätzlich zur Verfügung gestellten Finanzmittel in Zukunftsprojekte investiert werden und damit Europa „einen Sprung nach vorne macht“.
In Reaktion auf die COVID-19-Krise hatte die Europäische Kommission ebenfalls am 27. Mai 2020 einen angepassten EU-Haushalt für die Jahre 2021 – 2027 vorgelegt und ein Finanzvolumen von 1,1 Mrd. Euro vorgeschlagen. Nach ersten Gesprächen mit den EU-Mitgliedstaaten hatte der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, am 10. Juli einen veränderten Entwurf des EU-Haushaltes vorgelegt und eine Reduzierung auf 1.074 Mrd. Euro vorgeschlagen; außerdem sollte sich im Rahmen des Europäischen Aufbauprogramms das Verhältnis von Zuschüssen und Darlehen im Gleichgewicht befinden. Sowohl für den Europäischen Aufbauplan als auch für den Neuen Mehrjährigen Haushaltsplan schlug Michel vor, dass mindestens 30 Prozent der Finanzmittel in den klimafreundlichen Umbau der europäischen Wirtschaft fließen. Wie lange im Vorfeld der Haushaltsdiskussionen diskutiert und gefordert, schlug Michel ebenfalls vor, das Rechtsstaatlichkeitsprinzip und die europäischen Werte mit der Vergabe von EU-Finanzmitteln zu verbinden, und damit die schon lange im Vorfeld geforderte „Konditionalität“ einzuführen.
Nach langen und schwierigen Verhandlungen über die von einigen EU-Mitgliedstaaten geforderte „Sparsamkeit“ und von der EU geforderten Einführung der sog. „Konditionalität“ einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf folgende Punkte:
- Der Europäische Aufbauplan (NextGenerationEU) hat ein Volumen von 750 Mrd. Euro, davon werden 390 Mrd. als Zuschüsse an die EU-Mitgliedstaaten vergeben und 360 Mrd. Euro als Darlehen; die höchsten Zuschüsse erhalten Italien, Spanien und Frankreich. Die Finanzmittel des Aufbauplans wird die Europäische Kommission auf den internationalen Finanzmärkten aufnehmen (wegen ihres guten Ratings) und diese dürfen nur für die Beseitigung von COVID-19-Schäden in den Mitgliedstaaten genutzt werden. Voraussetzung für den Erhalt von Finanzmitteln aus dem Aufbauplan ist die Vorlage eines nationalen Aufbau- und Resilienzplans unter Beachtung der Vorgaben des Europäischen Semesters (länderspezifische Empfehlungen) und des jeweils nationalen Klima- und Umweltplans. Die Finanzmittel müssen für Vorhaben eingesetzt werden, die die wirtschaftliche Erholung und Widerdstandsfähigkeit, die Entstehung von Arbeitsplätzen und den digitalen und grünen Wandel fördern. Die jeweiligen nationalen Pläne müssen vom Rat durch eine qualifizierte Mehrheit genehmigt werden. Die Auszahlung der Finanzmittel erfolgt etappenweise, d.h. nach Prüfung der bisherigen Erfolge der Programme/Projekte durch die Europäische Kommission
- Der Neue Mehrjährige Finanzrahmen (MFR), d.h. der EU-Haushalt über die nächsten sieben Jahre (2021 – 2027) hat ein Volumen von 1.074,3 Mrd. Euro. Da im Vergleich zum ersten Haushaltsentwurf der Europäischen Kommission über 900 Mio. Euro gekürzt wurden, werden auch zukünftige EU-Programme mit weniger Finanzmittel ausgestattet (z.B. erhält der Fonds für einen gerechten Übergang nur noch 17,5 Mrd. statt 40 Mrd. Euro)
- Von den Finanzmitteln des Aufbauplans und des MFR müssen mindestens 30 Prozent in die Förderung der Ziele des European Green Deal gehen (also Förderung einer CO2-freien und nachhaltigen Wirtschaft). Durch diese Regelung will die EU sicherstellen, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens und die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen auch erreicht werden.
- Der Europäische Rat hat die Bedeutung des Schutzes der finanziellen Interessen der EU und der Bedeutung des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit ausdrücklich unterstrichen, d.h. es soll eine „Konditionalität“ eingeführt werden. Für den Fall, dass gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen wird, wird die Europäische Kommission in naher Zukunft entsprechende Maßnahmen vorschlagen, die dann mit qualifizierter Mehrheit im Rat verabschiedet werden müssen.
Die über die Finanzmärkte aufgenommenen 750 Mrd. Euro sollen über einen langen Zeitraum aus den künftigen EU-Haushalten zurückgezahlt werden, beginnend 2026 und endend spätestens 2058. Damit die Rückzahlung aus dem EU-Haushalt möglich wird, schlägt die Europäische Kommission die Schaffung zusätzlicher Eigenmittel vor:
- CO2-Grenzausgleichssteuer (erhoffte Einnahmen: 5 – 14 Mrd. Euro), die Europäische Kommission will im 1. Halbjahr 2021 hierzu einen Vorschlag vorlegen mit einer geplanten Einführung am 01. Januar 2023
- Digitalsteuer von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Mio. Euro (erhoffte Einnahmen: 1,3 Mrd. Euro), die Europäische Kommission will im 1. Halbjahr 2021 hierzu einen Vorschlag vorlegen mit einer geplanten Einführung am 01. Januar 2023
- Steuern aus dem Emissionshandelssystem, einschließlich evtl. Ausweitung auf See- und Luftverkehr (erhoffte Einnahmen 10 Mrd. Euro)
- Steuern für nicht recyclungsfähige Plastikprodukte (beginnend am 01. Januar 2021)
- Für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (nach 2027) die Einführung einer Finanztransaktionssteuer
Die Einnahmen aus den nach 2021 eingeführten Steuern will die EU für die frühzeitige Rückzahlung der Schulden einsetzen.
Zitate nach dem Gipfel
Angesichts der langwierigen und schwierigen Verhandlungen sagte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, bei der Vorstellung der Gipfelergebnisse gemeinsam mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel: „Wir haben vier lange Tage und Nächte durchverhandelt. Aber das war es wert. Das Ergebnis ist ein Signal des Vertrauens in Europa und es ist ein historischer Moment für Europa“. … Diese Antwort Europas auf die beispiellose Coronakrise nutze die Möglichkeiten des EU-Haushalts und verbinde Solidarität mit Verantwortung, sagte von der Leyen weiter. „Solidarität, weil alle 27 Mitgliedstaaten gemeinsam Next Generation EU tragen. Und Verantwortung, weil Next Generation EU nicht nur den Weg aus der Krise ebnet, sondern auch das Fundament für ein modernes und nachhaltigeres Europa schafft.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte bei ihrer Pressekonferenz mit Emmanuel Macron, dem französischen Staatspräsidenten: „Es ist geschafft“. … Und Europa habe gezeigt, dass es „in einer besonderen Lage bereit ist, neue Wege zu gehen“.
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (22.07.2020) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.