Neuanfang in der Migrationspolitik: Europäische Kommission legt Asyl- und Migrationspaket vor
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Wie angekündigt, hat die Europäische Kommission früher als geplant, ihr angekündigtes Asyl- und Migrationspaket vorgelegt: Ein verpflichtender Solidaritätsmechanismus in Krisenzeiten, effizientere Grenzverfahren und Rückführungen, verstärkte Zusammenarbeit mit Drittstaaten, mehr legale Zugangswege und ein entschlossenes Vorgehen gegen Schleuser sind die Kernelemente des neuen Paktes, mit dem die EU einen Neuanfang in der Behandlung und Aufnahme von Flüchtlingen machen will. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hatte auf einer Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen Pakets darauf hingewiesen, dass das derzeitige System (sog. Dublin II-Verfahren) nicht mehr funktioniere und es bisher nicht gelungen sei, eine gemeinsame Lösung zu finden; daher schlage die Europäische Kommission eine europäische Lösung vor, mit der das Vertrauen der EU-Mitgliedstaaten und der Bürger/innen in die Fähigkeit der EU, Migration zu bewältigen, wiederhergestellt werden solle.
Die Vorschläge im Einzelnen
Effizientere und schnellere Verfahren
- Das erste grundlegende Element des Ansatzes der Europäischen Kommission zur Vertrauensbildung besteht in effizienteren und schnelleren Verfahren, das erstmals ein Screening vor der Einreise umfassen soll. Dabei werden unter anderem alle Personen identifiziert, die die Außengrenzen der EU ohne Genehmigung überschreiten oder nach einem Such- und Rettungseinsatz ausgeschifft wurden.
- Zu dem Screening gehört auch eine Gesundheits- und eine Sicherheitsüberprüfung, die Abnahme von Fingerabdrücken und die Registrierung in der Eurodac-Datenbank. Eurodac ist eine EU-weite biometrische Datenbank, in der die Fingerabdruckdaten von Asylbewerbern und -bewerberinnen sowie Staatsangehörigen von Nicht-EU-Ländern bzw. Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zum Abgleich zwischen den EU-Ländern gespeichert werden.
- Nach dem Screening sollen die Personen zum richtigen Verfahren weitergeleitet werden, z. B. zum Verfahren an der Grenze für bestimmte Kategorien von Antragstellern oder zum normalen Asylverfahren.
- Im Rahmen dieses Grenzverfahrens werde schnell über Asyl oder Rückführung entschieden, wodurch Personen, deren Fall rasch geprüft werden könne, schnell Sicherheit erhielten.
- Gleichzeitig sollen alle anderen Verfahren verbessert und von den EU-Agenturen stärker überwacht und besser operativ unterstützt werden.
- Die digitale Infrastruktur der EU für das Migrationsmanagement werde modernisiert, um diesen Verfahren zu entsprechen und sie zu unterstützen.
Eine gerecht verteilte Verantwortung und Solidarität
- Das zweite grundlegende Element des Pakets ist die gerechte Aufteilung der Verantwortung sowie Solidarität. Die Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, verantwortungsvoll und solidarisch zu handeln. In Krisenzeiten müsse jeder Mitgliedstaat ausnahmslos solidarisch einen Beitrag leisten, um das Gesamtsystem zu stabilisieren, unter Druck stehende Mitgliedstaaten zu unterstützen und sicherzustellen, dass die Union ihren humanitären Verpflichtungen nachkommen könne.
- Angesichts der unterschiedlichen Situationen in den Mitgliedstaaten und des schwankenden Migrationsdrucks schlägt die Kommission ein System flexibler Beiträge der Mitgliedstaaten vor. Diese reichen von der Umverteilung von Asylbewerbern aus dem Land der ersten Einreise bis hin zur Übernahme der Rückführung von Personen ohne Aufenthaltsrecht oder auch verschiedene Formen der operativen Unterstützung.
- Das neue, auf Zusammenarbeit und flexiblen Formen der Unterstützung beruhende System soll zunächst auf freiwilliger Basis anlaufen, dann aber, wenn einzelne Mitgliedstaaten unter Druck geraten, auf der Grundlage eines Sicherheitsnetzes die Verpflichtung zu größeren Beiträgen vorsehen. Der Solidaritätsmechanismus werde für verschiedene Situationen gelten, wie für die Ausschiffung von Personen nach Such- und Rettungsaktionen, Migrationsdruck, Krisensituationen oder andere besondere Umstände.
Paradigmenwechsel bei der Zusammenarbeit mit Drittstaaten
Die Europäische Kommission will für die Zukunft auf gezielte und für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaften mit Drittstaaten hinarbeiten. Diese sollen dazu beitragen, gemeinsame Herausforderungen wie die Schleusung von Migranten zu bewältigen, legale Zugangswege zu schaffen und die Rückübernahmeabkommen und -vereinbarungen wirksam umzusetzen. Auch sind mit wichtigen Drittstaaten Fachkräftepartnerschaften vorgesehen, die auf den Arbeitskräfte- und Qualifikationsbedarf in der EU zugeschnitten sind. Zusätzlich sind neue Regelungen zu Neuansiedlungen und die Förderung anderer komplementärer Zugangswege geplant, die in die Entwicklung eines europäischen Modells für Patenschaftsprogramme münden soll.
Ein umfassender Ansatz:
Mit dem heute vorgelegten Paket will die Europäische Kommision auch ein gemeinsames EU-Rückkehrsystem entwickeln, um den EU-Migrationsvorschriften mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Dazu gehören:
- Ein wirksamerer Rechtsrahmen,
- Eine wichtigere Rolle der Europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex
- Ein neu zu ernennender EU-Rückkehrkoordinator mit einem Netz nationaler Vertreter, die die Kohärenz in der gesamten EU gewährleisten.
- Vorschläge für eine gemeinsame Migrationssteuerung mit einer verbesserten strategischen Planung, um sicherzustellen, dass die Politik der EU und diejenige der Mitgliedstaaten aufeinander abgestimmt sind,
- Eine verstärkte Überwachung des Migrationsmanagements vor Ort, um gegenseitiges Vertrauen zu schaffen.
- Eine Verbesserung des Außengrenzmanagements: Ab dem 1. Januar 2021 soll eine ständige Reserve der Europäischen Grenz- und Küstenwache eingesetzt werden, die im Bedarfsfall zur zusätzlichen Unterstützung mobilisiert werden kann.
Das Asyl- und Migrationspakt geht auf die Ankündigung der Präsidentin der Europäischen Kommission in ihren Politischen Leitlinien zurück, ein neues Asyl- und Migrationspaket vorzulegen. Die Europäische Kommission weist daraufhin, dass die Vorschläge das Ergebnis ausführlicher Konsultationen mit dem Europäischen Parlament, allen EU-Mitgliedstaaten, der Zivilgesellschaft, den Sozialpartnern und der Wirtschaft seien, diese müssten jetzt vom Europäischen Parlament und dem Rat geprüft und verabschiedet werden.
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