Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland wendet sich an Bundestagsabgeordnete und die Europaminister/innen der Bundesländer
Europa |
Der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Dr. Jörg Wojahn, hat sich in einem aktuellen Schreiben an alle Bundestagsabgeordneten und die Europaminister/innen der Bundesländer gewandt, um einen Überblick über die umfassenden Unterstützungsmaßnahmen der EU bei der Bewältigung der Coronakrise zu geben und um Zusammenhalt in der Krise zu bitten. Den Text des Schreibens geben wir hier wieder:
„In diesen Wochen der Coronakrise ist es alles andere als still in Brüssel“, schreibt Wojahn. „In normalen Zeiten mag es auch innenpolitisch manchmal opportun sein, die EU‘ abstrakt für vermeintliche Versäumnisse – vielleicht sogar die eigenen – verantwortlich zu machen. In der jetzigen Phase gilt es, sich das jeweils zweimal zu überlegen. Denn es geht ums Ganze.“
„Ich befürchte, dass wir alle bisher zu wenig dem Prinzip gefolgt sind: Tue Gutes und rede darüber. Nicht zuletzt daher ertönen EU-Kritiker zuweilen lauter und sind sichtbarer. Desinformation und Propaganda aus Drittstaaten, die dazu dienen sollen, unsere Union zu spalten, gefährden den Zusammenhalt“, so Wojahn. „Es geht mittelfristig um den EU-Binnenmarkt. Und der ist die Basis der exportorientierten deutschen Wirtschaft und Garant für Hunderttausende von Arbeitsplätzen in diesem Land. Das Beispiel Großbritannien hat uns gezeigt, wie die Mischung aus kluger Planung der EU-Gegner und kurzsichtiger Leichtfertigkeit der EU-Befürworter wirkt. Deswegen sollten wir auch nicht nur an die Befindlichkeiten daheim in Deutschland denken, sondern mit Weitblick handeln. Der größte und wirtschaftlich stärkste Mitgliedstaat der Europäischen Union hat eine Verantwortung, die über Hallig Hooge, Hunsrück, Hainich und Hochschwarzwald hinausgeht. Dies gilt es gerade in Hinblick auf die gefährliche Lage in Italien, einen der wichtigsten Exportmärkte der Bundesrepublik, zu beachten.“
„Die EU“ kann und darf in der Coronakrise nicht alles
Weiter schreibt Wojahn: „Zunächst einmal muss ich etwas in Erinnerung rufen, das auch nicht allen Entscheidungsträgern immer bewusst ist: Die Mitgliedstaaten haben der EU-Ebene nur eng begrenzte Befugnisse im Bereich Öffentliche Gesundheit übertragen (siehe 168 und 114 AEUV ); deren Schutz haben sich die Nationalstaaten bewusst vorbehalten. In der Bundesrepublik Deutschland liegt diese Kompetenz weitgehend auf Ebene der Länder.
Das heißt aber nicht, dass wir auf EU-Ebene nichts tun könnten. Im Gegenteil:
Wir halten die Grenzen so weit wie möglich offen: Nur, wenn der Warenverkehr läuft, bleiben die Supermarktregale voll und die Produktionsketten – auch für Schutzmasken und Beatmungsgeräte – intakt. Die EU-Kommission beschloss am selben Tag, an dem Deutschland den Grenzverkehr stark einschränkte, Leitlinien zum Grenzmanagement und drängt seither mit Nachdruck – und mit einigem Erfolg – auf deren Einhaltung. Das Gleiche versuchen wir auch für die EU-Arbeitnehmer , die in für die Überwindung der Krise systemrelevanten Berufen arbeiten. Grenzen sollten ihre wichtige Arbeit nicht stoppen.
Wir kaufen gemeinsam medizinische Schutzausrüstung: Zusammen sind wir stark am Markt. Die gemeinsame EU-weite Beschaffung von Masken u.ä. läuft auf Hochtouren.
Wir legen gemeinsame Vorräte an: Damit eine gerechte Verteilung an die bedürftigsten Regionen künftig gesichert ist. Die EU-Kommission hat den Startschuss für die Anlage einer strategischen EU-Reserve medizinischer Schutzausrüstungen gegeben.
Wir schaffen Erleichterungen für die Industrie: Damit sie rasch mehr medizinische Ausrüstung produzieren kann. EU-Standards stehen nun unkompliziert und gratis bereit. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen steht in Kontakt mit Vorständen.
Wir fördern Forschung: Damit wir das Virus so bald wie möglich besiegen. Schon am 30. Januar haben wir ein neues Programm auf den Weg gebracht. 17 EU-weite Konsortien arbeiten darunter bereits an ihren gemeinsamen Projekten
Wir helfen unseren Bürgerinnen und Bürgern in der Ferne: Überall auf der Welt stecken Europäer fest. Wir unterstützen die EU-Staaten bei Rückholflügen.
Wir sichern Wirtschaft & Währung: Damit die Krisenbekämpfung nicht an den Finanzmärkten scheitert. Die Europäische Zentralbank hat 750 Mrd. Euro mobilisiert
Wir helfen den Unternehmen: Mit Geldern aus dem gemeinsamen EU-Budget. Knapp 93 Mrd. Euro stehen auf EU-Ebene zur Stützung der Wirtschaft bereit. Aber der EU-Haushalt ist, wie Sie wissen, bescheiden im Vergleich zum Bundeshalt: 169 Milliarden Euro statt 362 Milliarden in 2020. Und die EU darf keine Schulden machen. Deshalb:
Wir machen massive Hilfen möglich: Damit unsere Mitgliedstaaten genügend Mittel zur Rettung von Unternehmen, Krankenhäusern, Selbständigen bereitstellen können, wenden wir die EU-Beihilferegeln entsprechend der Krisensituation großzügig und rasch an. Im Falle Deutschlands dürfen zum Beispiel die Staatsgarantien 90 Prozent von Kreditsummen an Unternehmer abdecken. Die restlichen 10 Prozent bleiben in der Verantwortung der auszahlenden Bank, um die Steuerzahler vor Schaden zu schützen. Diese 90/10 Regel wurde von der Kommission im Vorfeld mit allen Mitgliedstaaten konsultiert. Deutschland war damit einverstanden.
Europa wirkt
Auch die Arbeit für die Zeit nach der Krise hat schon begonnen. Vergangenen Donnerstag haben die Staats- und Regierungschefs die Präsidentin der Kommission und den Präsidenten des Europäischen Rates beauftragt , mit der Vorbereitung eines Fahrplans dafür zu beginnen“, so Wojahn abschließend.
Aufgaben der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland
Die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland ist eine der von der Europäischen Kommission unterhaltenen Vertretungen in den 27 EU-Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Sie hat seit 1999 ihren Hauptsitz in Berlin. Regionalvertretungen gibt es in Bonn und München.
ZU den Aufgaben der Europäischen Kommission in Deutschland schreibt Dr. Jörg Wojahn, der seit dem 01.09.2019 neuer Leiter der Vertretung ist: „Wir wollen Europa erklären und das Verständnis für europäische Politik stärken. Denn europäische Entscheidungen kommen nicht nur in Deutschland an, sie werden hier auch maßgeblich mitgestaltet. Die Vertretung in Deutschland ist Ohr und Sprachrohr für EU-Politik in Deutschland. … Um Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, organisieren die drei Büros der Vertretung in Deutschland Dialoge mit EU-Politikern und Diskussionsveranstaltungen zu drängenden Fragen. Bei Facebook, Instagram und Twitter kommen Sie jederzeit mit der Vertretung ins Gespräch, auf Twitter auch direkt mit Herrn Wojahn persönlich“.
Quelle und weitere Informationen
- EU-Aktuell vom 01.04.2020
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (01.04.2020) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.