Europäische Union will Führungsrolle in globalen Gesundheitsfragen übernehmen
Europa |
Wie bereits in der Rede zur Lage der Union dargelegt, soll die EU nach dem Willen von Kommissionspräsidentin von der Leyen eine Führungsrolle in globalen Gesundheitsfragen übernehmen. Hierzu sagte sie auf dem Weltgesundheitsgipfel: „Mehr als zu jedem Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit hat die Gesundheit eines Landes direkte Auswirkungen auf die Gesundheit eines anderen Landes. Und grenzüberschreitende Viren brauchen grenzüberschreitende Antworten. Ziel wird es sein, alle globalen Bemühungen zusammenzuführen, die Lehren aus der Krise zu ziehen und die globale Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich im Zeitalter der Pandemien auf den neuesten Stand zu bringen. Wir müssen uns um eine Reihe internationaler Verpflichtungen, Investitionen und Prinzipien für das nächste Jahrzehnt der globalen Gesundheitszusammenarbeit scharen.“
Zur langfristigen Perspektive der Weltgesundheit sagte von der Leyen: „Es ist an der Zeit, dass die Welt ihre Einstellung zur Gesundheit ändert. Wir müssen davon wegkommen, dass wir uns um unsere Gesundheit nur durch klinische, individuelle Befunde kümmern. Wir müssen uns um unsere Gesundheit kümmern, indem wir uns um unseren Planeten, unser Wohlbefinden und unsere nachhaltige Entwicklung kümmern.“
Vor diesem Hintergrund hatte von der Leyen schon vor einiger Zeit die Bedeutung des Weltgesundheitsgipfels betont. Der Weltgesundheitsgipfel, ursprünglich in Berlin geplant und wegen der Pandemie nun als virtuelle Veranstaltung ins Netz verlegt, wird durch das Bundesgesundheitsministerium gemeinsam mit den Trio-Partnern der kommenden EU-Ratspräsidentschaften Portugal und Slowenien organisiert.
Am 28. Oktober 2020 legte die Europäische Kommission neue Vorschläge zur Eindämmung der Pandemie vor, die die Kommissionspräsidentin auf einer Pressekonferenz mit dem Virologen und Corona-Sonderberater Peter Piot erläuterte:
Verbesserung des Informationsflusses für fundierte Entscheidungen
Die Europäische Kommission weist daraufhin, dass umfassende, vergleichbare und zeitnahe Informationen über epidemiologische Daten sowie über Tests, die Nachverfolgung von Kontakten und die Überwachung der öffentlichen Gesundheit unerlässlich seien, um nachvollziehen zu können, wie sich das Coronavirus auf regionaler und nationaler Ebene ausbreite. Daher ruft sie die Mitgliedstaaten auf, dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC) sowie der Kommission zwecks Verbesserung des Datenaustausches auf EU-Ebene alle relevanten Daten zu übermitteln.
Einführung wirksamerer und schnellerer Tests
Die Europäische Kommission weist weiterhin daraufhin, dass Tests ein wichtiges Instrument sind, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Zur Förderung eines gemeinsamen Ansatzes und der Effizienz der Tests hat die Europäische Kommission am 28.10.2020 eine Empfehlung über COVID-19-Teststrategien verabschiedet. Darin werden Schüsselaspekte dargestellt, die in nationalen, regionalen oder lokalen Teststrategien zu berücksichtigen sind, etwa der Geltungsbereich der Teststrategien, vorrangig zu testende Gruppen und zentrale Punkte im Zusammenhang mit Testkapazitäten und -ressourcen. Ferner wird in der Empfehlung auf die Frage eingegangen, wann Antigen-Schnelltests angebracht sein können. Überdies werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, bis Mitte November nationale Teststrategien vorzulegen. Die Kommission mobilisiert 100 Mio. Euro im Rahmen des Soforthilfeinstruments, um Antigen-Schnelltests direkt zu beschaffen und an die Mitgliedstaaten auszuliefern. Parallel dazu sorgt die Kommission mit einer gemeinsamen Auftragsvergabe für eine zweite Zugangsmöglichkeit zu solchen Tests.
Reisen in der EU
In Mitgliedstaaten, in denen die früheren Bedingungen für Tests von Einreisenden gelten und dort wo für Reisende ohne Symptome keine Testkapazitäten im Herkunftsland zur Verfügung stehen, sollen nach den Empfehlungen der Europäischen Kommission Reisende die Möglichkeit erhalten, sich nach der Ankunft testen zu lassen. Wenn ein negativer COVID-19-Test für bestimmte Tätigkeiten vorgeschrieben oder empfohlen werden soll, sei die gegenseitige Anerkennung von Tests von entscheidender Bedeutung, insbesondere im beruflichen Kontext.
Umfassende Nutzung von Kontaktnachverfolgungs- und Warn-Apps über Grenzen hinweg
Auch Kontaktnachverfolgungs- und Warn-Apps tragen nach Ansicht der Europäischen Kommission dazu bei, Infektionsketten zu durchbrechen. Nach bisherigen Informationen wurden von den Mitgliedstaaten bisher etwa 19 nationale Kontaktnachverfolgungs- und Warn-Apps entwickelt, die über 52 Millionen Mal heruntergeladen wurden. In diesem Zusammenhang weist die Europäische Kommission daraufhin, dass von Vorteil sei, dass sie kürzlich eine Lösung für die EU-weite Vernetzung nationaler Apps über das EU-Datenabgleichsystem „European Federation Gateway Service“ auf den Weg bringen konnte. Als das System am 19. Oktober online gegangen sei, wurden zunächst in drei Mitgliedstaaten (Deutschland, Irland und Italien) eingesetzte Apps miteinander vernetzt. Viele weitere werden in den kommenden Wochen folgen. Insgesamt beruhen derzeit 17 Apps einzelner Staaten auf dezentralisierten Systemen und können durch den European Federation Gateway Service in den kommenden Runden interoperabel werden. Nach den Empfehlungen der Europäischen Kommission sollten alle Mitgliedstaaten wirksame und kompatible Apps einrichten und ihre Kommunikationsanstrengungen intensivieren, damit die Apps verstärkt genutzt werden.
Wirksame Impfung
Die Entwicklung und der Einsatz von sicheren und wirksamen Impfstoffen sind nach Überzeugung der Europäischen Kommission prioritäre Projekte für eine rasche Beendigung der Krise. Im Rahmen der EU-Strategie für COVID-19-Impfstoffe handelt die Kommission Vereinbarungen mit Impfstoffherstellern aus, damit Impfstoffe den Menschen in Europa und weltweit zur Verfügung gestellt werden können, sobald ihre Sicherheit und Wirksamkeit erwiesen ist. Impfstoffe müssten, sobald sie verfügbar sind, verteilt und so eingesetzt werden, dass die größtmögliche Wirkung erzielt werden könne. Die Kommission hatte am 15. Oktober die ihrer Ansicht nach wichtigsten Schritte dargelegt, die die Mitgliedstaaten unternehmen müssen, um voll und ganz vorbereitet zu sein, dazu gehört auch die Entwicklung nationaler Impfstrategien. Es werde dazu einen gemeinsamen Rahmen für die Berichterstattung erarbeitet und eine Plattform zur Überwachung der Wirksamkeit der nationalen Impfstrategien eingerichtet. Im Sinne des Austausches bewährter Verfahren sollen die Schlussfolgerungen der ersten Überprüfung nationaler Impfpläne im November 2020 vorgestellt werden.
Wirksame Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern
Die Europäische Kommission macht deutlich, dass eine klare Kommunikation für erfolgreiche Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit entscheidend sei. Hier komme es weitgehend darauf an, dass die einschlägigen Empfehlungen von der Öffentlichkeit mitgetragen werden. Alle Mitgliedstaaten sollten daher nach den Empfehlungen der Europäischen Kommission erneut Kommunikationskampagnen gegen nach wie vor zirkulierende falsche, irreführende und gefährliche Informationen starten und damit einer drohenden „Pandemie-Müdigkeit“ begegnen. Impfungen seien ein konkreter Bereich, in dem die Behörden ihre Maßnahmen intensivieren müssten, um gegen Fehlinformationen vorzugehen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu behalten; denn nur impfen könne Leben retten.
Sicherung der Grundversorgung
Seit Ausbruch der Pandemie hat die EU wichtige Hersteller dabei unterstützt, die Verfügbarkeit unentbehrlicher Arzneimittel und unerlässlicher medizinischer Ausrüstung sicherzustellen; zwischenzeitlich wurden Verträge mit fünf großen Arzneimittelherstellern zur Lieferung von Impfstoffen geschlossen. Zusätzlich habe die Kommission eine neue gemeinsame Beschaffung von medizinischer Ausrüstung für Impfungen auf den Weg gebracht. Damit Mitgliedstaaten einen besseren und kostengünstigeren Zugang zu den Instrumenten erhalten, die zur Vorbeugung, Feststellung und Behandlung von COVID-19-Infektionen notwendig sind, werde die Kommission ab dem 28.10.2020 zudem die vorübergehende Zoll- und Mehrwertsteuerbefreiung für Einfuhren von medizinischer Ausrüstung aus Nicht-EU-Ländern verlängern.
Erleichterung des sicheren Reiseverkehrs
Die Europäische Kommission macht hier sehr deutlich, dass die Freizügigkeit in der EU und im Schengenraum ohne Grenzkontrollen wertvolle Errungenschaften der europäischen Einigung seien, die erhalten bleiben müssten; sie arbeite daher daran, das Reisen innerhalb Europas sowohl für Reisende als auch für die Bürger/innen in den EU-Mitgliedstaaten sicherer zu machen:
- Sie ruft die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlung des Rates für eine einheitliche und koordinierte Vorgehensweise in Bezug auf Einschränkungen der Freizügigkeit voll und ganz umzusetzen. Die Bürger/innen und die Unternehmen wünschen und benötigten Klarheit und Berechenbarkeit. An den EU-Binnengrenzen im Zusammenhang mit COVID-19 immer noch angewandte Kontrollmaßnahmen sollten aufgehoben werden.
- Die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit und das ECDC arbeiteten gerade ein Testprotokoll für Reisende aus, das von Gesundheitsbehörden, Fluggesellschaften und Flughäfen genutzt werden soll, damit die Fluggäste sicher an ihr Ziel kommen. Die Kommission werde außerdem in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und den Agenturen unter Mitwirkung des ECDC ein gemeinsames Konzept für Quarantänemaßnahmen entwickeln, das im November vorgestellt werden soll.
- Reiseformulare („Passenger Locator Forms“) helfen den Mitgliedstaaten bei der Einschätzung des Risikos im Zusammenhang mit ankommenden Fluggästen und ermöglichen die Rückverfolgung von Kontakten. Im Zuge eines im nächsten Monat geplanten Pilotprojekts könnten sich die Mitgliedstaaten auf die Einführung und Verwendung eines gemeinsamen digitalen EU-Reiseformulars im Dezember vorbereiten. Dabei werde es keine Abstriche beim Datenschutz geben.
- Die Anwendung „Re-Open EU“ (Link: reopen.europa.eu/de) liefere zeitnahe und exakte Informationen über Gesundheitsmaßnahmen und Reisebeschränkungen in allen Mitgliedstaaten und in einigen Partnerländern. Die Kommission appelliert in diesem Zusammenhang an die Mitgliedstaaten, genaue und aktuelle Informationen bereitzustellen, damit „Re-open EU“ zur einzigen Anlaufstelle für Informationen über Gesundheitsmaßnahmen und Reisemöglichkeiten in der gesamten EU werde. Eine Re-open-EU-App für Handys werde derzeit entwickelt und in den kommenden Wochen eingeführt.
Hinsichtlich Beschränkungen für nicht unbedingt notwendige Reisen aus Nicht-EU-Ländern in die EU, hat die Europäische Kommission Leitlinien vorgelegt, welche Personenkategorien als wesentlich gelten und daher von den Beschränkungen ausgenommen werden sollten. Dies soll den EU-Mitgliedstaaten helfen, die seinerzeitigen Empfehlungen des Rates über vorübergehende Reisebeschränkungen für die EU kohärent auszulegen. Schließlich fordert die Europäische Kommission die EU-Mitgliedstaaten noch einmal dazu auf, gegenseitige Besuche von in stabilen Beziehungen lebenden Personen zu erleichtern und gibt hierzu nützlich Beispiele aus der Praxis.
Ausweitung des Konzepts der „Green Lanes“
Die im März 2020 von der Europäischen Kommission eingeführten „grünen Korridore“, die vor allem im Straßengüterverkehr das Passieren von Grenzen in weniger als 15 Minuten ermöglichen soll, habe nach den bisherigen Erfahrungen dazu beigetragen, die Versorgung mit Waren und das Wirtschaftsgefüge der EU aufrechtzuerhalten. Vor diesem Hintergrund schlägt sie vor, das Konzept der grünen Korridore auszuweiten, um sicherzustellen, dass der multimodale Verkehr unter anderem im Bereich der Güterbeförderung per Bahn, Schiff oder Flugzeug reibungslos funktionieren kann; für die praktische Anwendung, etwa in Bezug auf elektronische Unterlagen und die Verfügbarkeit von Raststätten und Tankstellen bietet die Kommission zusätzliche Orientierungshilfen an. Sie appelliert an die EU-Mitgliedstaaten einen freien Warenverkehr ohne Unterbrechungen im gesamten Binnenmarkt sicherzustellen.
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (28.10.2020) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.