Europäische Kommission legt neue Industriestrategie vor – umfassende Unterstützung beim Übergang zur Klimaneutralität und Digitalisierung
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Die Europäische Kommission hat am 10. März 2020 eine neue Industriestrategie für ein „weltweit wettbewerbsfähiges, grünes und digitales Europa“ vorgelegt, mit der sie die europäische Industrie beim Übergang zu Klimaneutralität und Digitalisierung umfassend unterstützen will. Die angekündigten Maßnahmen sollen alle Akteure der europäischen Industrie, große und kleine Unternehmen, innovative start-ups, Forschungszentren, Dienstleistungserbringer, Anbieter und Sozialpartner unterstützen. Zu diesem Zweck will die Europäische Kommission die Wettbewerbsvorschriften und die Auswirkungen ausländischer Subventionen im EU-Binnenmarkt überprüfen und geistiges Eigentum besser schützen. Außerdem soll nachhaltige und intelligente Mobilität gefördert und eine Allianz für sauberen Wasserstoff ins Leben gerufen werden. Es wird eine eigene Strategie für die Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen geben, die zum Ziel hat, Bürokratie abzubauen und den zahlreichen KMU´s in Europa zu helfen, im gesamten Binnenmarkt, d.h. in allen 27 EU-Mitgliedstaaten tätig zu sein, Zugang zu Finanzierungen zu erhalten und eine Vorreiterrolle beim digitalen und ökologischen Wandel zu übernehmen. Zusätzlich will die Europäische Kommission konkrete Schritte zum Abbau bestehender Hindernisse im EU-Binnenmarkt ergreifen, damit alle Unternehmen innerhalb und außerhalb der EU wachsen und miteinander konkurrieren können.
Eine neue industriepolitische Strategie
Zu Beginn ihrer Ausführungen macht die Europäische Kommission deutlich, dass die Industrie eine maßgebliche Rolle für das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand in Europa habe, sie sei in vielen Branchen weltweit führend und erwirtschafte mit rd. 35 Mio. Beschäftigten 20 Prozent der gesamten Wertschöpfung in der EU. Die Europäische Kommission zeigt sich entschlossen, die führende Rolle Europas im Industriesektor zu erhalten. Daher soll die neue Industriestrategie, drei Schlüsselprioritäten verwirklichen:
- die Erhaltung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und gleicher Wettbewerbsbedingungen in der EU und weltweit,
- ein klimaneutrales Europa bis 2050 und
- die Gestaltung der digitalen Zukunft Europas
Das dafür entsprechend vorgesehene Maßnahmenpaket sieht folgendes vor:
- Einen Aktionsplan für geistiges Eigentum zur Wahrung der technologischen Unabhängigkeit, zur Förderung weltweit gleicher Wettbewerbsbedingungen, zur besseren Bekämpfung des Diebstahls geistigen Eigentums und zur Anpassung des Rechtsrahmens an den ökologischen und digitalen Wandel.
- Mit der fortlaufenden Überprüfung der EU-Wettbewerbsvorschriften, u.a. der Bewertung der Vorschriften im Bereich der Fusionskontrolle und der Eignungsprüfung der Leitlinien für staatliche Beihilfen, will die Europäische Kommission Vorsorge treffen, dass Vorschriften in einer sich rasch wandelnden, zunehmend digitalen Wirtschaft, die umweltfreundlicher und kreislauforientierter werden muss, angepasst werden
- Für einen fairen Wettbewerb im In- und Ausland will die Kommission bis Mitte 2020 ein Weißbuch annehmen, das sich mit den wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen ausländischer Subventionen im Binnenmarkt sowie mit dem ausländischen Zugriff auf öffentliche Aufträge in der EU und auf EU-Mittel befasst. Die Frage der ausländischen Subventionen wird in einem Vorschlag für einen Rechtsakt behandelt werden, der 2021 vorgelegt werden soll. Dies soll parallel mit den laufenden Arbeiten zur Stärkung der weltweiten Regeln für Industriesubventionen in der Welthandelsorganisation (WHO) und mit Maßnahmen zur Behebung des Mangels an Gegenseitigkeit beim Zugang zum öffentlichen Beschaffungswesen in Drittländern einhergehen.
- Umfassende Maßnahmen zur Modernisierung und Dekarbonisierung energieintensiver Industrien, Unterstützung des Bereichs nachhaltige und intelligente Mobilität, Förderung der Energieeffizienz und Gewährleistung einer ausreichenden und konstanten Versorgung mit kohlenstoffarmer Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen.
- Stärkung der industriellen und strategischen Autonomie Europas durch die Sicherung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen mithilfe eines Aktionsplans für kritische Rohstoffe und Arzneimittel auf der Grundlage einer neuen EU-Arzneimittelstrategie, indem die Entwicklung strategischer digitaler Infrastrukturen und Schlüsseltechnologien unterstützt wird.
- Eine Allianz für sauberen Wasserstoff, um die Dekarbonisierung der Industrie zu beschleunigen und die führende Rolle der Industrie zu erhalten, gefolgt von Allianzen für emissionsarme Industrien sowie für industrielle Clouds, Plattformen und Rohstoffe.
- Weitere Rechtsvorschriften und Leitlinien für ein umweltgerechtes öffentliches Beschaffungswesen und
- erneut eine schwerpunktmäßige Befassung mit den Themen Innovation, Investitionen und Kompetenzen.
Eine neue Strategie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
Die Europäische Kommission betont die Schlüsselrolle der KMU´s für Europas industrielle Entwicklung, denn zwei von drei Beschäftigten in den EU-Mitgliedstaaten arbeiten in einem KMU. Daher ist ganz klar, dass die neue Industriestrategie ohne besondere Förderung der KMU´s nicht erfolgreich sein kann. Mit einer eigenen Strategie sollen die KMU´s in die Lage versetzt werden, eine Vorreiterrolle beim doppelten Übergang (Klimaneutralität und Digitalisierung) einnehmen zu können. Daher sei ein Zugang zu den richtigen, d.h. für eine erfolgreiche Tätigkeit im EU-Binnenmarkt notwendigen Kompetenzen, erforderlich. Daher sollen:
- In den Beratungsstellen des Enterprise Europe Network-Netzwerks der Europäischen Kommission Nachhaltigkeitsberater eingesetzt werden; das Enterprise Europe Netzwerk berät speziell KMUs zu infragekommenden Technologie- und Innovationsprogrammen der EU und berät bei der Anknüpfung von Geschäftskontakten ins europäische Ausland sowie weltweit. In NRW ist die NRW.Bank, Düsseldorf zusammen mit der ZENIT GmbH, Mülheim Mitglied des Enterprise Europe Netzwerkes.
- Es sollen in allen Regionen Europas Zentren für digitale Innovation eingerichtet werden, damit KMU´s eine Hilfestellung bei der Integration digitaler Innovationen zu erhalten
- Die Europäische Kommission will Möglichkeiten für die Tätigkeit von Freiwilligen schaffen und Schulungen für digitale Technologien anbieten
- Die Europäische Kommission will weiterhin jährlich Industrietage veranstalten, auf den alle relevanten Akteure zusammenkommen.
- Zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten der KNU´s innerhalb des EU-Binnenmarktes und weltweit, will die Europäische Kommission regulatorische und praktische Hürden beseitigen; hierzu gehört, dass die Rechnungen der KMU´s auch direkt beglichen werden.
- Es wird eine virtuelle Beobachtungsstelle eingerichtet, diese soll für eine alternative Streitbeilegung sorgen.
- Damit KMU´s leichter an die Börse gehen können (und sich damit Kapital besorgen können), soll im Rahmen des KMU-Finanzierungsfensters von „InvestEU“ auch ein Fonds für den Börsengang von KMU´s eingerichtet werden.
- Zur Förderung des Unternehmertums von Frauen will die Europäische Kommission Investitionen in Unternehmen und Fonds ankurbeln, die von Frauen geleitet werden.
- Die EU-Mitgliedstaaten sollen dafür Sorge tragen, dass den Unternehmen zentrale Ansprechpartner zur Verfügung stehen
- Gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten will die Europäische Kommission einen sog. EU-Start-up-Nations Standard erarbeiten, dessen Aufgabe es ist, bewährte Verfahren auszutauschen und zu übernehmen; damit soll High-Tech-KMU´s und Start-ups ein schnelleres Wachstum ermöglicht werden
- Zur Durchführung und politischen Sicherung der vielfältigen Maßnahmen wird ein hochrangiger KMU-Beauftragter installiert, der sich mit nationalen KMU-Beauftragten und den lokalen und regionalen Behörden abstimmen soll
- Schließlich soll den Bedürfnissen der KMU in den EU-Rechtsvorschriften Rechnung getragen werden
Mit dem Maßnahmenbündel will die Europäische Kommission Europa zum besten Standort für Neugründungen und Unternehmenswachstum machen.
Ein EU-Binnenmarkt, der Unternehmen und Verbraucher/innen Vorteile bringt
Der EU-Binnenmarkt ist zwischenzeitlich der Größte in der Welt und bietet den Unternehmen einen groß angelegten „heimischen“ Markt. Der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Finanzen bringt Unternehmen und Bürger/innen eine größere Auswahl an Waren und Dienstleistungen sowie mehr Beschäftigungschancen und freies Unternehmerhandeln. Dennoch gibt es nach Feststellung der Europäischen Kommission immer noch zu viele Hindernisse ganz unterschiedlicher Art, die dazu führen, dass die Unternehmen die Vorteile des Binnenmarktes nicht vollständig nutzen können.
Der am 10. März 2020 veröffentlichte Bericht über noch existierende Hindernisse im EU-Binnenmarkt stellt fest, dass nach Schätzungen die Beseitigung dieser Hindernisse bis zum Ende des Jahrzehnts einen wirtschaftlichen Nutzen in Höhe von 713 Mio. Euro bringen könnten. Zu den häufigsten Hindernissen gehören restriktive und komplexe nationale Vorschriften, begrenzte Verwaltungskapazitäten, unvollständige Umsetzung und unangemessene Durchsetzung von EU-Vorschriften zugunsten von KMU´s in den EU-Mitgliedstaaten.
Als Gegenmaßnahme hat die Europäische Kommission am selben Tag einen Aktionsplan zur besseren Umsetzung und Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften angenommen, der helfen soll, Hindernisse zu beseitigen, die auf Verstöße gegen EU-Recht zurückzuführen sind. Grundlage des Aktionsplans ist eine erneuerte Partnerschaft zwischen ihr und den EU-Mitgliedstaaten, die zur Einrichtung einer gemeinsamen Taskforce führen soll, in der beide Seiten für eine Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften stärker zusammenarbeiten wollen. Die Europäische Kommission selbst will in verstärktem Ausmaß die nationalen und lokalen Behörden unterstützen, um eine ordnungsgemäße, korrekte Umsetzung von EU-Binnenmarktvorschriften durchzusetzen.
Quelle und weitere Informationen:
- EU-Aktuell vom 10.03.2020
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (11.03.2020) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.