Deutschland übernimmt nach 2007 zum zweitenmal ab 01. Juli 2020 die Ratspräsidentschaft in der EU – Kommissionspräsidentin hofft auf Verabschiedung des Europäischen Aufbauplans und des langjährigen Haushalts
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Am 01. Juli 2020 übernimmt Deutschland für sechs Monate die Ratspräsidentschaft in der EU und hat in seinem Präsidentschaftsprogamm die Schwerpunkte seines Vorsitzes festgelegt. Die Präsidentschaft steht unter dem Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“, damit stellt die Bundesregierung die Bewältigung der Corona-Pandemie und die großen Zukunftsthemen in den Mittelpunkt seiner Präsidentschaft. Grundlage für das 26seitige Programm ist die Strategische Agenda des Europäischen Rates von Juni 2019 und das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2020 (was vor dem Hintergrund der derzeitigen Herausforderungen Mitte Juni 2020 angepasst wurde).
Die Arbeitsschwerpunkte des deutschen Ratsvorsitzes sind:
- Die dauerhafte Überwindung der Corona-Krise und wirtschaftliche Erholung
- Ein stärkeres und innovativeres Europa
- Ein gerechtes und nachhaltiges Europa
- Ein Europa der Sicherheit und der gemeinsamen Werte
- Ein starkes Europa in der Welt
Im Zentrum der deutschen Ratspräsidentschaft steht die Bewältigung der COVID-19-Krise; nur durch die nachhaltige Eindämmung des Virus und die gleichzeitige Investition in die europäische Wirtschaft, die Ausschöpfung des Innovationspotentials und die Stärkung des Zusammenhalts in der EU und mit ihren Mitgliedern könne die Krise dauerhaft und wirksam überwunden werden. Dazu müssten vorrangig Finanzfragen geklärt werden. „In der deutschen deutschen EU-Ratspräsidentschaft werden wir uns mit ganzer Kraft dafür einsetzen, diese Aufgabe gemeinsam und zukunftsgerichtet zu meistern und Europa wieder stark zu machen“, heißt es in dem Programm.
Es sei notwendig, in dieser schwierigen Zeit, sich für die Zukunft zu rüsten, daher müssten gemeinsam die anstehenden Transformationsprozesse wie Klimawandel, Digitalisierung oder der Umbau der Arbeitswelt angegangen werden. Daher werde sich Deutschland für eine rasche Verabschiedung des Mehrjährigen Finanzrahmens und des Europäischen Aufbauplans einsetzen, um ehrgeizige Investitionen in Klimaschutz, Forschung und Digitalisierung tätigen zu können. Bei der Digitalisierung gehe es um den Aufbau einer europäischen Dateninfrastruktur, Forschungen zur Künstlichen Intelligenz und Quantencomputing.
Im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik müsse Europa vor dem Hintergrund der Konkurrenz der Weltmächte seine Handlungsfähigkeit nach außen stärken und Verantwortung übernehmen, auch um europäische Interessen und Werte zu verteidigen. So soll die Zusammenarbeit mit Afrika bei einem EU-Afrika-Gipfel erweitert werden. Ein weiterer Gipfel wird zwischen der EU und China stattfinden; dieser war ursprünglich für September 2019 vorgesehen, doch musste er wegen der COVID-19-Pandemie verschoben werden.
Ein weiteres drängendes Thema sei und bleibe die Migrationspolitik, hier sei ein Neuanfang bei der Reform des Gemeinsamen Asylsystems erforderlich. Ferner plant die Bundesregierung im Rahmen des von der Europäischen Kommission vorgesehenen jährlichen Rechtsstaatsberichts für alle EU-Mitgliedstaaten eine umfassende Aussprache, um auch den Dialog zwischen den Mitgliedsländern zu stärken.
Mit Großbritannien stünden bis zum Ende des Jahres intensive Verhandlungen über die Gestaltung eines für beide Seiten attraktives Abkommens über die zukünftigen wirtschaftlichen Beziehungen an; Grundlage der Verhandlungen sei die seinerzeit von beiden Seiten vereinbarte und unterzeichnete Politische Erklärung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor in einer Regierungserklärung im Bundestag erklärt: „Wir übernehmen diese Verantwortung in einer Zeit, in der die Europäische Union der größten Herausforderung ihrer Geschichte gegenübersteht. Und deswegen ist für die Bundesregierung diese deutsche Ratspräsidentschaft mitten in der Pandemie eine so große Herausforderung. Denn wir müssen die Folgen der Krise bewältigen, aber zugleich auch Europa widerstandsfähiger und zukunftsfähiger machen.“ Merkel würdigte den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Aufbauplan für Europa.
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten werden am 17. Und 18. Juli 2020 zu einem Gipfeltreffen in Brüssel zusammenkommen, um über den Europäischen Aufbauplan und den Mehrjährigen Finanzrahmen (2021 – 2027) zu sprechen. Hierzu erklärte die Bundeskanzlerin, sie werde „sich dafür einsetzen, dass es möglichst schnell zu einer Einigung sowohl zum Mehrjährigen Finanzrahmen als auch zum Aufbaufonds kommt“. Deutschland wolle die Ratspräsidentschaft nutzen, um „die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft für Europa zu stellen“.
Die Europäische Kommission blickt erwartungsvoll auf die deutsche Ratspräsidentschaft. „Die Erwartungen sind hoch. Wir sind inmitten einer schweren Krise, ausgelöst durch das Virus, und wir brauchen eine starke Präsidentschaft“, sagte von der Leyen am vergangenen Wochenende im Deutschlandfunk. „Es stehen gewaltige Themen an.“ Die angestrebte Einigung auf den Wiederaufbauplan Next Generation EU zählte sie dazu ebenso wie den Kampf gegen den Klimawandel und die Digitalisierung. „Das sind alles Themen, die wir nach vorne bringen wollen in den nächsten sechs Monaten und da ist es gut, eine sehr erfahrene Präsidentschaft zu haben“, sagte von der Leyen.
Es ist ein großes Glück, dass Deutschland gerade jetzt in dieser tiefen Krise die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt“, sagte von der Leyen dem Handelsblatt (Montagsausgabe). Die Bundeskanzlerin verfüge über große europapolitische Erfahrung und genieße das Vertrauen aller Regierungschefs. „Das ist deutlich spürbar, wenn wir im Europäischen Rat zusammensitzen und das hilft enorm.“
Europa brauche nun dringend noch vor der Sommerpause eine Einigung auf den von der Kommission vorgelegten Wiederaufbauplan. „Wir stecken in einer tiefen Krise, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg so noch nicht hatten“, so die Kommissionspräsidentin. „Bei allen Differenzen herrscht im Europäischen Rat doch Einvernehmen darüber, dass wir eine angemessene Antwort auf diese beispiellose Krise geben müssen.“
Um die Arbeit für einen raschen und erfolgreichen Abschluss zu bringen, sei eine starke politische Führung wichtig, daher habe sie Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Präsidenten des Europäischen Parlaments, David Sassoli sowie den Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, zu einem Treffen am 08. Juli 2020 eingeladen, um eine Bestandsaufnahme der Fortschritte vorzunehmen und die bevorstehenden intensiven politischen Verhandlungen vorzubereiten.
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