"Wir sind alle in einem Boot stärker als in einem Rettungsboot"
Europa |
Am 11. Dezember 2019 war es endlich soweit: Die 1.Preisträgerinnen und Preisträger des seinerzeitigen Europawettbewerbs unter den weiterführenden Schulen des Rhein-Kreises Neuss vom Norbert-Knechtsteden-Gymnasium aus Dormagen gingen auf die versprochene 1tägige Informationsfahrt nach Brüssel und erlebten dort einen richtig spannenden europäischen Tag. Der Europaabgeordnete für die Region Niederrhein, Dr. Stefan Berger, hatte die Schülerinnen und Schüler der Klasse 8d eingeladen, das Europäische Parlament kennenzulernen und mit ihm über die gerade aktuellen EU-Themen zu diskutieren.
Die Klasse 8d des Norbert-Knechtsteden-Gymnasiums hatte im Rahmen der diesjährigen Europawoche an dem vom Rhein-Kreis Neuss ausgerufenen Europawettbewerb unter den weiterführenden Schulen teilgenommen und mit ihrem vertonten und dargestellten Liedtext "Wir sind Europa" den 1. Preis gewonnen; nach großer gemeinsamer Vorbereitung hatten die Schülerinnen und Schüler das freie und vielschichtige Leben in der EU textlich erarbeitet, danach mit Musik vertont und schließlich mit Tanz dargestellt, welche Vorteile und Freiheiten der Europäische Binnenmarkt zu bieten hat, von der Reisefreiheit bis zur gemeinsamen Währung, mit der man in allen 28 EU-Mitgliedstaaten bezahlen kann.
Für die ansprechende Zusammenschau von Musik, Tanz und Text hatte ihnen die Jury den 1.Preis, eine 1tägige Informationsfahrt zum Europäischen Parlament nach Brüssel, zugesprochen. Da Ende Mai 2019 ein neues Europäisches Parlament gewählt wurde und sich dann die Wahl der neuen Europäischen Kommission verzögerte, verschob sich der Besuch in Brüssel auf Mitte Dezember. Zum Ausgleich hatten die Schüler/innen das Glück, einen besonders interessanten Tag in Brüssel zu erleben, denn es tagte das Europäische Parlament in einer Sondersitzung, in der die neue Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, den EU Green Deal vorstellte. Direkt nach der Sitzung kam Herr Dr. Berger, um über die Sitzung und das Thema Umweltschutz in der EU zu berichten und sich den Fragen der Schüler/innen zu stellen.
Zu Beginn hieß Herr Dr. Berger die Schüler/innen herzlich willkommen und bezeichnete das Europäische Parlament (EP) als Demokratiewerkstatt Europas. Es gebe sehr viele Besuche von Gruppen im EP, die erfahren wollten, wie europäische Politik funktioniere. Er selber sei seit Mai 2019 Europaabgeordneter und vertrete dort den Niederrhein mit den Kreisen Kleve, Viersen, Wesel sowie den Rhein-Kreis Neuss, außerdem die Städte Krefeld und Mönchengladbach. Herr Dr. Berger lobte ausdrücklich den Rhein-Kreis Neuss als wirtschaftsstarken Standort zwischen Düsseldorf und Köln, der viele Potentiale aufweise, dies sei für die Bewältigung des Strukturwandels im Rheinischen Revier von großer Bedeutung.
Weiter klärte Herr Dr. Berger die Schüler/innen darüber auf, dass er als Abgeordneter zugleich "Mitglied" in der Gruppe der 96 deutschen Europaabgeordneten und in der 29 MdEP´s umfassenden CDU-Gruppe sei; insgesamt habe das EP zusammen mit seinem Präsidenten 751 Abgeordnete.
Auf die Frage, wie er in das Europäische Parlament gewählt worden sei, erläuterte Herr Dr. Berger seinen Zuhörer/innen, dass er aus einem katholischen Elternhaus kommend sich früh für das Fach Geschichte. Nach seinem Abitur habe er Wirtschaftswissenschaften studiert, promoviert und danach noch eine Ausbildung zum Berufsschullehrer gemacht. Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn sei er in die Wirtschaft gegangen und erst danach über die politische Arbeit in seiner Gemeinde in die Politik gekommen.
Als Europaabgeordneter habe er sich natürlich Gedanken gemacht, für welche Themen er sich engagieren wolle und habe aufgrund seines Studiums und seiner beruflichen Tätigkeit die Bereiche Wirtschaft und Wettbewerb, Unternehmen und Finanzindustrie sowie sustainable finance gewählt; daher sei er auch Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments. Zusätzlich befasse er sich aber auch mit den Megathemen Demografie und Globalisierung (das den Gegensatz Kooperation und Konkurrenz in sich trage), dem Thema Digitalisierung und betonte hier, dass Europa an der Schwelle einer digitalen Revolution stehe, denn die Technik werde jeden Lebensbereich umfassen; schließlich sei die Klimaproblematik ein weiteres wichtiges Thema seiner Arbeit. In diesem Zusammenhang verwies er auf die gerade stattgefundene Sondersitzung des Europäischen Parlaments, in der Ursula von der Leyen die Grundzüge des angekündigten Green Deals vorgestellt habe. Es sei in der Debatte noch einmal sehr deutlich geworden, dass kein Mitgliedsland der EU alleine die Erderwärmung und die damit verbundenen Probleme und Herausforderungen lösen könne. Die EU müsse daher den Versuch machen, für einen Kontinent mit über 500 Mio. Einwohner/innen den Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie zu finden. Der Green Deal zeige Maßnahmen auf, um die Umweltzerstörung aufzuhalten und den Planeten mit dem Leben des Menschen zu versöhnen:
- Zuvörderst gehe es um eine Schadstoffbegrenzung durch einen Zertifikatehandel, der einen Mindestpreis für die Tonne CO2 ausweise
- Zum Thema EU-Energiewende und Abschaltung der Kraftwerke in Deutschland betonte Herr Dr. Berger ausdrücklich, dass die Kernkraftwerke in Deutschland am sichersten seien
- Es gehe um große Investitionen in die Häuserdämmung und in neue Energien; beides sei nicht machbar ohne Billionen an Kapital, in diesem Zusammenhang machte Dr. Berger klar, das ohne private Finanzmittel diese finanzielle Herausforderung nicht zu stemmen sei. Zur Bewältigung dieser finanziellen Herausforderungen müssten zudem neue Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen werden
- Die EU-Mitgliedstaaten müssten technologieoffene Investitionen fördern, z.B. durch Forschungsverbünde; Tatsache sei, dass die USA immer noch 10 Prozent mehr in Forschung und Entwicklung investierten als die EU.
Nicht nur beim Umweltschutz müsse Europa zeigen, dass es Themen gebe, die besser gemeinsam zu lösen seien. Hierzu gehöre auch noch die "Flüchtlingskrise", die nur zu meistern sei, wenn in Zukunft eine Beschränkung von spontaner Hilfe nur für die Flüchtlinge in Kriegsgebieten erfolge. Insgesamt sei die Migration ein "gewaltiges" Thema und werde es wohl auch bleiben, weil es viele Krisengebiete um Europas Grenzen gebe, wie die Syrien- und Ukrainekrise und die andauernden Flüchtlingswellen aus Afrika; die EU müsse hier Stärke zeigen und deutlich machen, dass es Hilfe nur durch Selbsthilfe gebe; so müsse Afrika gestärkt werden, denn dieser Kontinent wachse täglich um eine Million Menschen. Zusammenfassend gab Dr. Berger den Schüler/innen zu diesem Thema mit auf den Weg "Wir sind alle in einem Boot stärker als in einem Rettungsboot".
Nach dem Handelskonflikt zwischen den USA und China befragt, machte Herr Dr. Berger deutlich, dass es im Verhältnis EU-USA nicht nur um Zölle gehe, sondern auch die Qualität von Produkten ausschlaggebend für den Handelserfolg eines Landes sei.
Zum Abschluss wollten die Schüler/innen von Herrn Dr. Berger wissen, über welche Einkünfte er als Europaabgeordneter verfüge und wie sich sein Arbeitsalltag gestalte. Herr Dr. Berger nannte keine konkrete Summen, verwies aber darauf, dass ein Abgeordneter im Europäischen Parlament bzw. ein Politiker so viel verdienen müsse, dass er sich auf seine Arbeit konzentrieren könne. Sein Arbeitsalltag sei reich gefüllt, er müsse regelmäßig Arbeitspapiere erstellen und lesen, habe Ausschusssitzungen, viele Besuchergruppen und auch regelmäßig Termine in seinem Heimatkreis; er müsse feststellen, dass es immer wieder eine Herausforderung darstelle, Familie und Beruf zu verbinden. Er habe aber Freude an seiner Aufgabe und appellierte in diesem Zusammenhang an die Schüler/innen Englisch als Fremdsprache zu lernen und auszubauen, dies sei für eine problemlose Kommunikation im EU-Binnenmarkt notwendig.
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