Die Wahlen zum Europäischen Parlament - Ihre Stimme zählt
Europa |
Zwischen dem 23. und 26. Mai 2019 finden in den 27 EU-Mitgliedstaaten (wenn es dabei bleibt, dass Großbritannien Ende März aus der EU austritt) die neunten Direktwahlen zum Europäischen Parlament (EP) statt. In Deutschland wird traditionell an einem Sonntag, also am 26. Mai 2019 gewählt; es sind ca. 60,8 Mio. deutsche Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt (davon 3,7 Mio. Erstwähler/innen), zusätzlich dürfen 3,9 Mio. EU-Bürgerinnen und -Bürger (davon 0,2 Mio. Erstwähler/innen), d.h. Staatsangehörige aus den anderen 26 EU-Mitgliedstaaten, die in Deutschland wohnen, ihre Stimme abgeben (Voraussetzung ist die Eintragung in das örtliche Wählerverzeichnis).
Es ist die größte supranationale Wahl in der Welt, in keinem anderen Staatenverbund können die Bürgerinnen und Bürger "ihre" Abgeordneten für eine demokratisch zusammengesetzte Vertretung bestimmen. In der gesamten Europäischen Union sind ca. 340 Mio. Bürger/innen wahlberechtigt, entweder in dem Land ihres Wohnsitzes oder in ihrem Herkunftsland. Die Europawahl findet nach Mitgliedstaaten getrennt und gemäß dem jeweiligen nationalen Wahlgesetz statt. Jedes Mitgliedsland hat eine feste Anzahl von Sitzen und eigene nationale Wahllisten, auf denen allerdings auch Bürger/innen anderer EU-Staaten antreten können, sofern sie in dem betreffenden Land ihren Wohnsitz haben.
Als Wahlsystem ist in allen Ländern das Verhältniswahlrecht festgelegt, die Sperrklausel beträgt in einigen EU-Mitgliedstaaten maximal fünf Prozent. In Deutschland galt nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2011 die Dreiprozentklausel, d.h. bisher mussten alle Parteilisten mindestens 3% der deutschlandweit abgegebenen Stimmen erhalten, um ihre Abgeordneten ins Europäische Parlament entsenden zu können. Das Bundesverfassungsgericht hat aufgrund von Klagen vor allem von kleineren Parteien am 26. Februar 2014 entschieden, dass diese Regelung verfassungswidrig ist, da sie gegen die Chancengleichheit der Parteien verstößt. Die Stimme eines jeden Wählers müsse grundsätzlich denselben Zählwert und die gleiche Erfolgschance haben, urteilten die Richter. Dies wurde erstmalig mit der Europawahl 2014 umgesetzt und gilt auch für die Europawahl 2019.
In Deutschland sind Bundeslisten oder Landeslisten möglich, von Landeslisten macht nur die CDU Gebrauch, alle anderen Parteien stellen Bundeslisten auf. Die Abgeordneten werden in geheimer, allgemeiner, freier und direkter Wahl gewählt. In Deutschland darf wählen, wer mindestens 18 Jahre alt ist, Staatsangehöriger anderer EU-Staaten sind wahlberechtigt, soweit sie ihren Wohnsitz seit drei Monaten in Deutschland haben und sich in Wählerlisten bei den Wahlämtern ihrer Heimatkommune haben eintragen lassen. Sowohl Deutsche wie auch EU-Bürger/innen haben auch das passive Wahlrecht, d.h. sie können sich auch um einen Sitz im EP bewerben und damit zur Wahl stellen.
Für die hiesige Region Mittlerer Niederrhein tritt der langjährige Abgeordnete, Karl-Heinz Florenz, seit 1994 für die CDU/EVP im Europäischen Parlament (Arbeitsschwerpunkte Landwirtschaft, Umwelt, Verbraucherschutz und Gesundheit) nicht mehr an, neuer Kandidat der CDU/EVP ist der Landtagsabgeordnete Dr. Stefan Berger, für die SPD bzw. SDP tritt Frau Petra Kammerevert (Arbeitsschwerpunkte Jugend, Bildung, Kultur und Sport) für die Wiederwahl an.
II. Zusammensetzung des Europäischen Parlaments
1. Dem gegenwärtigen EP gehören 751 Abgeordnete aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten an.
Die Abgeordneten des EP, die zurzeit insgesamt 512,6 Mio. Bürger/innen (Anfang 2018) vertreten, werden für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Nach den Europawahlen im Mai 2019 werden nur noch 705 Abgeordnete im EP vertreten sein. Vor dem Hintergrund des wahrscheinlichen Austritts Großbritanniens aus der EU Ende März 2019 haben die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen am 28./29. Juni 2018 beschlossen (auf Vorschlag des EP und dessen Beschluss am 13. Juni 2018), die bisherigen 73 Sitze für das Vereinigte Königreich wie folgt aufzuteilen: 27 Sitze werden auf verschiedene EU-Mitgliedstaaten verteilt (jeweils zwischen einem und fünf Sitzen zusätzlich), um eine Unterrepräsentation infolge demografischer Veränderungen auszugleichen, die restlichen 46 Sitze werden für künftige Erweiterungen der EU "reserviert" (laut dem Vertrag von Lissabon darf die endgültige Anzahl an Sitzen im EP nicht mehr als 751 betragen).
Diese Regelung tritt nicht in Kraft, wenn Großbritannien Mitglied in der EU bleiben sollte.
Die Verteilung der Sitze auf die EU-Mitgliedsländer legt der Vertrag von Lissabon fest. Diese erfolgt nach dem Prinzip der degressiven Proportionalität, d.h. je größer die Bevölkerung eines EU-Staates, desto mehr Sitze stehen dem betreffenden Staat zu (Art. 14 EU-Vertrag). Dennoch gibt es bisher keine präzise Formel, die bestimmt, wie viele Abgeordnete jedes EU-Mitgliedsland haben muss. Daher müssen die Staats- und Regierungschefs vor jeder Europawahl diese Aufgabe übernehmen (Art. 14 Abs. 2 EUV)
Nach dem Vertrag von Lissabon kann Deutschland nur 96 Sitze als mögliche Maximalzahl an Sitzen erhalten und damit über drei Sitze weniger; dennoch durfte Deutschland nach der Europawahl 2014 die aus der vergangenen Wahlperiode zugesagten 99 Sitze behalten, um eine nachträgliche Benachteiligung zu vermeiden. Frankreich erhält nach der neuen Regelung im Lissabon-Vertrag 74 Sitze, Großbritannien und Italien jeweils 73 Sitze. Die Mitgliedsländer Luxemburg, Zypern und Malta werden mit jeweils 6 Sitzen über die vorgesehene Minimalzahl an Abgeordneten verfügen.
EU-Mitgliedsland | 2014 | 2019 (gemäß Beschluss EP/Staats- und Regierungschefs Juni 2018) |
---|---|---|
Belgien | 21 | 21 |
Bulgarien | 17 | 17 |
Deutschland | 96 | 96 |
Dänemark | 13 | 14 |
Estland | 6 | 7 |
Finnland | 13 | 14 |
Frankreich | 74 | 79 |
Griechenland | 21 | 21 |
Irland | 11 | 13 |
Italien | 73 | 76 |
Kroatien | 11 | 12 |
Lettland | 8 | 8 |
Litauen | 11 | 11 |
Luxemburg | 6 | 6 |
Malta | 6 | 6 |
Niederlande | 26 | 29 |
Österreich | 18 | 19 |
Polen | 51 | 52 |
Portugal | 21 | 21 |
Rumänien | 32 | 33 |
Schweden | 20 | 21 |
Slowakei | 13 | 14 |
Slowenien | 8 | 8 |
Spanien | 54 | 59 |
Tschechien | 21 | 21 |
Ungarn | 21 | 21 |
2. Die Fraktionen im Europäischen Parlament
Die Mitglieder des EP werden nach Mitgliedsländern gewählt, sie arbeiten aber nicht nach ihrer nationalen Zugehörigkeit, sondern nach ihrer politischen Orientierung zusammen. Wie auch in nationalen Parlamenten gibt es Fraktionen, in denen die Abgeordneten ähnlicher politischer Orientierung und Parteizugehörigkeit organisiert sind. Das Besondere im EP ist die Vielzahl nationaler Parteien, die sich zu einer Fraktion zusammenschließen. Derzeit gibt es im EP acht Fraktionen, in denen über 170 nationale Parteien vertreten sind.
Zur Bildung einer Fraktion müssen sich Abgeordnete aus verschiedenen Mitgliedsändern zusammenfinden. Damit soll die grenzüberschreitende Kooperation von politischen Parteien und Abgeordneten angeregt werden. Nach der Europawahl im Juni 2009 müssen Parlamentarier gemäß einer Entscheidung des Europäischen Parlaments vom 9. Juli 2008 eine Fraktion mit mindestens 25 Mitgliedern aus einem Viertel, d.h. aus sieben EU-Mitgliedsstaaten bilden. Diese Regelung wurde auf Initiative der beiden größten Fraktionen EVP und SDP beschlossen, diese soll die Bildung links- und rechtsradikaler Fraktionen erschweren und eine Zersplitterung des EP in viele Kleinstfraktionen verhindern.
Die große Mehrheit der Abgeordneten gehört einer der multinationalen Fraktionen an.
Die größte Fraktion im EP ist zurzeit die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), gefolgt von der sozialdemokratischen Fraktion (S & D) und der liberalen Fraktion (ALDE), 22 Mitglieder des EP sind fraktionslos und damit "Einzelkämpfer"
Fraktionen | Anzahl der Mitglieder |
---|---|
EVP | 217 |
S & D | 187 |
ALDE | 68 |
GUE / NGL | 52 |
Grüne / EFA | 52 |
ECR | 75 |
Rechtspopul | 37 |
EFD | 41 |
Fraktionslos | 22 |
Seit 2004 ist eine Mitgliedschaft im EP unvereinbar mit einem Mandat als Abgeordneter in einem nationalen Parlament.
Die Europawahl 2014 ergab in Deutschland folgende Ergebnisse für die großen Parteien, die dann auch im EP vertreten waren:
Partei | Prozentsatz | Sitze | Fraktion |
---|---|---|---|
CDU | 30,0% | 29 | EVP-ED |
SPD | 27,3% | 27 | SPE |
Grüne | 10,7% | 11 | Grüne-EFA |
CSU | 5,3% | 5 | EVP-ED |
Die Linke | 7,4% | 7 | GUE-ED |
FDP | 3,4% | 3 | ALDE |
3. Arbeitsorte und Arbeitsweise des Europäischen Parlaments
Das EP ist in vielerlei Hinsicht ein besonderes Parlament: 24 Amtssprachen kennzeichnen die Arbeit des EP, und die Arbeitsorte verteilen sich auf drei europäische Länder. Sitz des Parlaments ist Straßburg. Hier sind pro Jahr 12 Plenarsitzungen angesetzt. In Brüssel finden Ausschusssitzungen und Fraktionssitzungen statt. In den Ausschüssen und Fraktionen werden die gerade aktuellen Themen, die zur Entscheidung anstehen, auf - und vorbereitet. Zudem benennt das Europäische Parlament immer ein bis zwei Mitglieder aus ihren Reihen, sog. "Berichterstatter", deren Aufgabe es ist, ein bestimmtes Thema inhaltlich für das gesamte Plenum vorzubereiten.
Es gibt zurzeit 22 Ausschüsse, in denen die Abgeordneten die verschiedenen Fachthemen behandeln und ebenfalls für die Entscheidung im Plenum vorbereiten. Die Ausschüsse setzen sich aus 25 bis 76 Abgeordneten zusammen und treffen sich ein- bis zweimal monatlich. So gibt es u.a. einen Haushaltsausschuss und einen Haushaltskontrollausschuss, der sich mit dem jährlichen Haushaltsplan der EU befasst (erteilt u.a. der Europäischen Kommission Entlastung für die jährliche Haushaltsausführung), einen Ausschuss für Wirtschaft und Währung, der sich u.a. mit Fragen der Wirtschafts- und Währungsunion beschäftigt, einen Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, einen Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, für Industrie, Forschung und Energie, für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, für regionale Entwicklung, für Bildung und Kultur etc.
Das Europäische Parlament kann gemäß Art. 226 Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) auch Untersuchungsausschüsse und Sonderausschüsse aus seinen Reihen bilden, die Verstöße gegen das Unionsrecht oder Missstände bei der Anwendung des Unionsrechts prüfen können. Es hat zahlreiche Untersuchungsausschüsse in der Geschichte des EP gegeben, so z.B. 1996 zur Rinderseuche BSE oder 2017 zu den Emissionsmessungen in der Automobilindustrie; Sonderausschüsse hat das EP zu den Themen "Bekämpfung des Klimawandels", zur "Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise" zum "Organisierten Verbrechen" sowie zur "Finanzkriminalität, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung" eingerichtet.
In Brüssel finden manchmal auch Plenarsitzungen statt, die oft nur ein, zwei Tage dauern und im Sprachgebrauch der Parlamentarier "Mini-Sitzungen" genannt werden. Luxemburg ist der dritte Arbeitsort des EP. Dort befindet sich ein Teil der Parlamentsverwaltung, des Generalsekretariats. Der andere Teil des Sekretariats ist in Brüssel untergebracht.
Das Generalsekretariat unterhält zudem Informationsbüros in allen 28 Mitgliedsländern der EU. In Deutschland gibt es Informationsbüros in Berlin und in München.
4. Wahl des Präsidenten des Europäischen Parlaments
Seit vielen Jahren ist es Tradition, dass die beiden größten Fraktionen (EVP und SDP) jeweils den Präsidenten des Europäischen Parlaments innerhalb der fünfjährigen Amtszeit abwechselnd stellen. In den Jahren 2010/2011 war Jerzy Buzek, früherer polnischer Ministerpräsident und der EVP zugehörig, Präsident des EP, seit dem 17. Januar 2012 bis einschließlich 17. Januar 2017 war einmalig für fünf Jahre der deutsche Martin Schulz, der zugleich in diesen Jahren Vorsitzender der SDP war, Präsident des EP. Dies war eine Ausnahmeentscheidung und zollte der erfolgreichen Arbeit des von allen Fraktionen anerkannten Europäers Respekt, dem es erstmalig gelang, durch sein engagiertes Auftreten, dem Europäischen Parlament eine deutliche Stimme unter den Bürgerinnen und Bürgern der EU-Mitgliedstaaten zu geben.
Seit dem 17.01.2019 ist der Italiener Antoni Tanjani Präsident des Europäischen Parlaments
5. Von der "Gemeinsamen Versammlung" zum "Europäischen Parlament"
Das Europäische Parlament hat einen langen Weg der Emanzipation hinter sich. Das EP konnte durch regelmäßiges selbstbewusstes Agieren und stetiges Fordern seine Stellung und Kompetenzen Zug um Zug ausbauen. Das Europäische Parlament erhielt seinen heutigen Namen erst am 30.03.1962, der Begriff "Europäisches Parlament" wurde allerdings erst im Vertrag von Maastricht 1992 rechtlich verankert.
Nach der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 1951 hatte die damalige sog. "Gemeinsame Versammlung" nur 78 Mitglieder, 1958 dann 142 Mitglieder (konstituierende Sitzung am 19. März 1958; mit dem Protokoll zu den Verträgen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurde die Gemeinsame Versammlung für alle damaligen drei Gemeinschaften zuständig: EGKS, EWG und EAG). In den Jahren 1958 und den 1970er Jahren wurden die Abgeordneten des Parlaments noch von den jeweiligen nationalen Parlamenten entsandt.
Es war ein langer Weg bis sich die Abgeordneten mit ihrer Forderung nach einer direkten Wahl durch die Bürgerinnen und Bürger durchsetzen konnten. Im Juni 1979 fand die erste Direktwahl in der EU statt, damit wurde das EP zur echten Repräsentationskörperschaft der Bürgerinnen und Bürger Europas. Die Wahlen zum Europäischen Parlament finden seitdem alle fünf Jahre statt, die Amtszeit des EP läuft zeitlich parallel mit der Amtszeit der Europäischen Kommission.
III. Die Kompetenzen und Rechte des Europäischen Parlaments
Nach Art. 14 Abs. 1 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) ist das EP gemeinsam mit dem Ministerrat Gesetzgeber und übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus. Auch hat das EP politische Kontrollrechte und Beratungsfunktionen. Es wählt außerdem den Präsidenten der Europäischen Kommission".
1. Gesetzgebungsbefugnis: Einführung des "Ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens" bzw. des "Mitentscheidungsverfahrens"
Einen weiteren großen Fortschritt bei der Forderung nach elementaren Mitentscheidungsrechten erzielten die Abgeordneten bei den Verhandlungen zum Vertrag von Maastricht. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht 1993 wurde das "Ordentliche Gesetzgebungsverfahren", auch als "Mitentscheidungsverfahren" bezeichnet, eingeführt; danach beschließt das EP gleichberechtigt, zusammen mit dem jeweiligen Fachministerrat, Gesetze, die in allen Mitgliedstaaten der EU gültig sind und die unser tägliches Leben betreffen (von der Etikettierung von Lebensmitteln bis zum Führerschein). Dies bedeutet, dass ohne die formale Zustimmung des EP kein "Gesetz" in der EU beschlossen und in Kraft treten kann. Einen weiteren Machtzuwachs erhielt das EP mit dem Vertrag von Lissabon (der am 01.12.2009 in Kraft trat), seitdem beschließt das EP in sogar über 95% der Entscheidungen gleichberechtigt mit dem Ministerrat gemeinsam. Zu den Bereichen, die seitdem zusätzlich unter das Mitentscheidungsverfahren fallen, gehören Landwirtschaft, Einwanderung, polizeiliche Zusammenarbeit, Energiepolitik und Wirtschafts- und Währungsunion.
Seit jeher bestimmt das EP über den Abschluss von Assoziierungs- und Partnerschaftsabkommen und den Beitritt neuer Mitgliedstaaten - ohne seine Zustimmung können die entsprechenden Verträge nicht abgeschlossen werden.
Unabhängig von den Mitbestimmungs- und Entscheidungs- sowie Kontrollrechten des EP hat sich seit der Präsidentschaft von José Manuel Barroso (2004-2014) im Laufe der Jahre bei zentralen europäischen Fragen eine strategische Partnerschaft zwischen dem EP und der Europäischen Kommission entwickelt. In diesem Zusammenhang legt die Europäische Kommission Wert auf eine rechtzeitige Einbindung des EP und die konstruktive Diskussion mit den Europaabgeordneten.
Nach einheitlicher Meinung von Experten basieren 60 - 80% aller nationalen Rechtsakte auf EU-Vorschriften, das EP entscheidet gleichberechtigt über wichtige Verbraucheranliegen mit. Beispiele der (jüngsten) Vergangenheit sind das Klima- und Umweltrecht, der Wegfall der Roaming-Gebühren für Mobilfunkgespräche, die Arbeitszeitrichtlinie, die EU-weite Anerkennung von Diplomen und Berufsabschlüssen, die erweiterten Eisenbahn-, Fluggast- und Busgastrechte, die Kennzeichnung der Lebensmittel und Beschlüsse zur Wirtschafts- und Währungsunion sowie die neuen großen EU-Förderprogramme, wie die EU-Strukturfonds, "Erasmus+" (Bildung), "Kreatives Europa" (Kultur und Medien), "COSME" (Wettbewerbsfähigkeit und KMU) sowie "Horizont 2020" (Innovation und Forschung)
2. Haushaltsbefugnisse - Das Europäische Parlament als Teil der "Haushaltsbehörde"
Die Haushaltsbefugnis des EP gilt als wichtigste Kompetenz. Das EP ist gemeinsam mit dem Rat "Haushaltsbehörde" und beschließt gleichberechtigt über den jährlichen Haushaltsplan und die mehrjährige Finanzplanung (siebenjährige Finanzplanung, zurzeit in Verhandlungen 2021 - 2027). Zudem erlangt der EU-Haushalt nur mit der Unterschrift des Präsidenten des EP Rechtskraft. Das EP hat regelmäßig in den Verhandlungen seinen Forderungen z.B. nach größerer finanzieller Ausstattung von EU-Förderprogrammen oder nach stärkerer Akzentsetzung bei einzelnen Politikbereichen Ausdruck verliehen und konnte sich in vielen Fällen erfolgreich durchsetzen.
Das EP kontrolliert zusätzlich die Haushaltsführung der Europäischen Kommission durch den Haushaltskontrollausschuss und erteilt ihr jährlich Entlastung.
3. Wahl des Präsidenten und der Kommissare der Europäischen Kommission
Die Ernennung des Präsidenten der Europäischen Kommission und der einzelnen Kommissare können nur mit Zustimmung des EP erfolgen. Auch alle zu wählenden EU-Kommissare müssen sich einer Anhörung und dann einer anschließenden Wahl durch das Europäische Parlament stellen.
Das Europäische Parlament kann der Europäischen Kommission gemäß Art. 234 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU auch das Misstrauen aussprechen und bei Vorliegen der vorgeschriebenen Stimmenmehrheit zum Rücktritt zwingen - dies ist allerdings noch nie eingetreten und widerspricht der partnerschaftlichen Kooperation zwischen beiden EU-Organen.
Europawahlen 2014 und 2019: Europäische Parteien nominieren Spitzenkandidaten
Erstmalig stimmten die Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stimmabgabe bei den Europawahlen 2014 mit darüber ab, wer der Präsident der kommenden Europäischen Kommission wird. Nach Art. 17 Abs. 7 des Vertrags über die EU wählt das EP den Kommissionspräsidenten nachdem dieser durch die Staats- und Regierungschefs benannt wurde. Die Staats- und Regierungschefs sind jedoch aufgefordert, den Kandidaten unter Berücksichtigung des Wahlergebnisses zum EP zu benennen, d.h. die Partei, die bei den Wahlen die Stimmenmehrheit erhalten hat, soll auch den Kommissionspräsidenten stellen dürfen.
Zum erstenmal in der Geschichte hatten deshalb vor den Europawahlen 2014 auf Vorschlag der Europäischen Kommission die europäische Parteien Spitzenkandidaten aufgestellt, die ihrem Programm und ihren Überzeugungen ein Gesicht geben sollten. Die sozialdemokratischen Parteien (S&D) hatten am 01. März 2014 in Rom den früheren Präsidenten des EP, den Deutschen Martin Schulz zum Spitzenkandidaten nominiert, die Europäische Volkspartei (EVD) hatte als letzte der europäischen Parteien am 07. März 2014 den früheren luxemburgischen Ministerpräsidenten und langjährigen Vorsitzenden der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, als Spitzenkandidaten aufgestellt. Die Wahlergebnisse für die EVP lagen deutlich über denen der SDP, daher wurde am 15. Juni 2014 Jean-Claude Juncker zum neuen Präsidenten der Europäischen Kommission ernannt.
Auf Empfehlung der Europäischen Kommission und mit Zustimmung der Staats- und Regierungschefs haben die europäischen Parteien auch für die Europawahl 2019 wieder Spitzenkandidaten aufgestellt; für die EVP wurde der langjährige bayerische Europaabgeordnete Manfred Weber Anfang November in Helsinki ernannt, die SDP wählte Anfang Dezember 2018 in Portugal den jetzigen Vize-Präsidenten der Europäischen Kommission, Frans Timmermanns, zu ihrem Kandidaten. Die Grünen nominierten Ende November 2018 in Berlin die Deutsche Ska Keller und den Niederländer Bas Eickhout zu ihren Spitzenkandidaten.
4. Kontrollbefugnisse des Europäischen Parlaments
Das EP übt außerdem eine Kontrollbefugnis gegenüber der Europäischen Kommission und den Fachministerräten aus: Beide EU-Organe sind gegenüber dem EP rechenschaftspflichtig durch regelmäßige Berichterstattung, z.B. über das jeweilige halbjährliche Arbeitsprogramm des EU-Mitgliedstaates, das gerade den Vorsitz in der EU hat, über Gipfelbeschlüsse der Staats- und Regierungschefs, über das jährliche Arbeitsprogramm und das Fünfjahresprogramm der Europäischen Kommission; außerdem kann das EP schriftliche und mündliche Anfragen an Rat und Kommission richten, die diese beantworten müssen.
Seit 1995 gibt es das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten; dieses Amt wurde durch den Vertrag von Maastricht eingeführt und ist beim EP angesiedelt. Der Europäische Bürgerbeauftragte wird vom EP auf die Dauer von fünf Jahren gewählt und prüft Beschwerden von EU-Bürger/innen über vermutete Missstände bei der Tätigkeit von EU-Organen und -Einrichtungen. Die derzeitige Amtsinhaberin ist die Irin Emily O´Reilly, die vorher 10 Jahre irische Bürgerbeauftragte war.
IV. Warum wählen gehen? - Hohe Wahlbeteiligung unterstützt eine starke Stellung des Europäischen Parlaments in der Zukunft
Die Aufzählung macht deutlich, welche großen Einfluss- und Mitwirkungsmöglichkeiten das EP bereits heute hat und engagiert und entschlossen wahrnimmt. Die von ihm mit entschiedenen Maßnahmen betreffen oft das eigene tägliche (Berufs)Leben. Daher ist eine Teilnahme an den kommenden Europawahlen so wichtig, mit Ihrer Stimme bestimmen Sie, welche/r Europaabgeordnete/r für Ihre Region ins Europäische Parlament einzieht und damit stimmen Sie auch über die Themen mit, die im EP zukünftig behandelt werden (jeder Europaabgeordneter hat seine Schwerpunktthemen). Das EP mit seinen Abgeordneten in den einzelnen Mitgliedstaaten ist die direkte Verbindung zu den Bürger/innen in der EU, jeder Abgeordnete ist somit direkter Ansprechpartner für die jeweiligen Anliegen der Bürger/innen in seiner Region. Eine hohe Wahlbeteiligung stärkt das EP in seiner Stellung und in seinen Forderungen nach einem weiteren Ausbau seiner Kompetenzen zugunsten der Bürger/innen in der EU, z.B. die Forderung nach einem Initiativrecht (bisher hat das EP lediglich ein politisches Initiativrecht, mit dem es die Europäische Kommission auffordern kann, auf bestimmten Gebieten tätig zu werden).
Aufruf von EU-Kommissar Günther Oettinger zur Teilnahme an der Europawahl - Europawahl muss so wichtig sein wie die Bundestagswahl
Im Rahmen einer Grundsatzrede bei der Bertelsmann Stiftung in Berlin am 30. Januar 2019 rief Günther Oettinger, deutscher EU-Kommissar für Haushalt und Personal die Deutschen und Europäer auf, durch ihre Teilnahme an den Europawahlen "wahrnehmbar und überzeugend" für die Werteordnung der EU mit parlamentarischer Demokratie, sozialer Marktwirtschaft, Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Presse-, Glaubens- und Religionsfreiheit einzutreten. "Es ist in diesem Jahr wichtiger als jemals zuvor" und "Die Europawahl muss uns genauso wichtig sein wie die Bundestagswahl" betonte Oettinger, die Sorgen vieler Politiker/innen und Bürger/innen vor Augen, dass nationalistische Tendenzen in den EU-Mitgliedstaaten nach vorne drängen und Populisten in das nächste Europäische Parlament einziehen könnten, um Europa von innen zu (zer)stören. Daher sei "ein ähnlich engagierter Wahlkampf wie im Bund und eine hohe Wahlbeteiligung …wichtig", denn die Europäer müssten zusammenarbeiten, um sich im globalen "Wettbewerb von Werteordnungen" behaupten zu können.
V. Weitere und vertiefte Informationen zum EP und zu den Europawahlen:
- Informationen zum Europäischen Parlament: www.europarl.europa.eu
- Download-Center: Herunterladen von Infomaterialien (nur in englischer und französischer Sprache): www.europarl.europa.eu/downloadcentre
- Broschüre "Europa 2019" (erhältlich beim Informationsbüro des Europäischen Parlaments in Berlin - Link: www.europarl.europa.eu/germany/de/service/verbindungsb%C3%BCro-des-ep-in-deutschland)
- Europawahl-Flyer: deutschland.diesmalwaehleich.eu und what-europe-does-for me.eu/de/portal,
siehe hierzu auch die beiden Artikel im Internetauftritt des Europe Direct Informationszentrums Mittlerer Niederrhein unter der Rubrik "EU-Aktuell" vom 02.01.2019 "Europäisches Parlament eröffnet anlässlich der Europawahlen im Mai 2019 die web-site "Was tut Europa für mich" (Link: www.rhein-kreis-neuss.de/de/verwaltung-politik/aemterliste/europabuero/eu_aktuell/2019/001-was-tut-europa-fuer-mich.html) und vom 29.01.2019 "Diesmal wähle ich" - Informationskampagne des Europäischen Parlaments zur Europawahl 2019 (Link:http://www.rhein-kreis-neuss.de/de/verwaltung-politik/aemterliste/europabuero/eu_aktuell/2019/001-was-tut-europa-fuer-mich.html) und vom 29.01.2019 "Diesmal wähle ich" - Informationskampagne des Europäischen Parlaments zur Europawahl 2019 (Link: http://www.rhein-kreis-neuss.de/de/verwaltung-politik/aemterliste/europabuero/eu_aktuell/2019/010-diesmal-waehle-ich.html).
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (25.02.2019) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.