Die Europäische Grundrechtecharta begeht seit 10 Jahren - Europäische Kommission zieht Bilanz
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Die Europäische Grundrechtecharta hat seit 2009 rechtliche Gültigkeit, am 01. Dezember 2019 trat der Vertrag von Lissabon in Kraft und damit wurde die Grundrechtecharte verbindliches Recht in der EU. Zehn Jahre nach Inkrafttreten der Charta hat die Europäische Kommission am 05. Juni 2019 eine gemischte Bilanz gezogen. Zwar habe sich "dank der Chartain den letzten zehn Jahren in den EU-Organen eine Kultur der Grundrechte entwickelt. Die Charta hat ihr Potenzial allerdings in der gesamten Durchsetzungskette noch nicht voll entfaltet und ihre Bekanntheit bleibt niedrig". Laut der am selben Tag veröffentlichten Euro-Barometer-Umfrage wüssten lediglich 15 Prozent der Deutschen und nur 12 Prozent der Bürger/innen in allen 28 EU-Mitgliedstaaten über die Charta Bescheid.
Der Bericht der Europäischen Kommission zeigt auf, dass die europäischen politischen Entscheidungsträger sich zunehmend bewusst seien, dass ihre Vorhaben in Einklang mit der Grundrechte-Charta stehen müssten. Die EU hat nach eigener Aussage zahlreiche Initiativen zum Schutz der Grundrechte verabschiedet, wie
- Die Datenschutzgrundverordnung
- Schutz von Hinweisgebern auf EU-Ebene
- Förderung des Wahlrechts, wie Maßnahmen zur Förderung freier und fairer Wahlen, Mitteilung der Bekämpfung von Desinformation und Aufforderung an Online-Plattformen sowie die Werbebranche, Maßnahmen gegen Falschmeldungen zu ergreifen
- Bekämpfung illegaler Hetze im Internet
Die Europäische Kommission verweist in ihrem Bericht darauf, dass die nationalen Behörden und Gerichte die Charta bei der Umsetzung von EU-Recht anwenden müssen. So hätten die Verweise des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auf die Grundrechtecharta stark zugenommen, von 27 in 2010 auf 356 in 2018. Auch die nationalen Gerichte verwiesen in ihren Urteilen auf die Charta und ersuchten den EuGH immer öfter um deren Auslegung.
Dennoch habe die Charta auf nationaler Ebene ihr Potenzial noch nicht "voll entfaltet" und nach wie vor wüssten zu wenige Bürger/innen dass es die Grundrechte-Charta gibt. Die Eurobarometer-Umfrage zeige auf, dass nur vier von zehn Bürgern von der Charta gehört haben und nur einer von zehn weiß, worum es dabei geht; sechs von zehn Bürger/innen wünschen sich mehr Informationen über die Rechte der Charta und wollen wissen, an wen sie sich wenden können, falls ihre Rechte verletzt werden.
In diesem Zusammenhang macht der Bericht der Europäischen Kommission deutlich, dass es "Spielraum für Verbesserungen" gibt, dies gilt insbesondere für die nationale Ebene, also in den EU-Mitgliedstaaten. Die Nichteinhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze und des Asylrechts sei und bleibe in einem Teil der EU-Gemeinschaft ein Problem. Daher arbeite die Europäische Kommission mit den zuständigen Behörden auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene, die Bürger/innen besser über ihre Grundrechte aufzuklären und zu informieren, wo sie Hilfe finden können, wenn ihre Rechte verletzt werden.
Am 12. November 2019 veranstaltet die Europäische Kommission zusammen mit dem finnischen Ratsvorsitz und der Agentur der EU für Grundrechte eine Jubiläumskonferenz zum zehnjährigen Bestehen der Charta. Die Teilnehmer/innen der Konferenz werden darüber diskutieren, wie die Charta in den EU-Mitgliedstaaten besser genutzt werden kann.
Anlässlich der Vorlage des Jahresberichts sagte der für bessere Rechtsetzung, interinstitutionelle Beziehungen, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechtecharte zuständige 1. Vize-Präsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermanns: "Nach zehn Jahren lässt sich feststellen, dass die Charta der Grundrechte ihre Erwartungen erfüllt hat. Sie ist das Fundament der Werte unserer Union und legt unsere Rechte, Freiheiten und Grundsätze dar. Damit die Charta im Leben der Menschen tatsächlich eine Rolle spielt, müssen sie ihre Rechte kennen und wissen, an wen sie sich wenden können, falls ihre Rechte verletzt wurden. Deshalb ist es wichtig, über die Charta zu informieren und die Menschen darüber aufzuklären, worauf sie als Bürgerinnen und Bürger Europas Anspruch haben."
Die für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung zuständige EU-Kommissarin, Vera Jourova, ergänzte: "Die Gerichte zitieren die Charta, und sie wird von der EU in ihren jüngsten Initiativen zum Schutz der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger konkretisiert. Trotzdem weiß nur einer von zehn Europäern über die Charta Bescheid; so fällt es den Menschen schwer, sich die Charta vollumfänglich zu Nutze zu machen. Deshalb rufe ich die nationalen Regierungen, die Zivilgesellschaft und diejenigen, die sich für die Grundrechte stark machen, auf, für die Charta und die dort verankerten Rechte zu sensibilisieren und dafür zu sorgen, dass die Charta für alle Bürgerinnen und Bürger Realität wird."
Quelle und weitere Informationen:
- EU-Aktuell vom 05. Juni 2019
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (10.06.2019) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.