Österreich übernimmt zum 01.07.2018 für sechs Monate die Ratspräsidentschaft in der EU
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Zum Start der österreichischen Ratspräsidentschaft reiste die Europäische Kommission unter Leitung des Kommissionsprädienten Jean-Claude Juncker zu einem zweitägigen Besuch nach Wien und führt politische Gespräche. Die Ergebnisse des Meinungsaustausches stellten Juncker und der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz auf einer Pressekonferenz vor. Dabei betonte Juncker, dass die österreichische Bundesregierung über ein deutlich pro-europäisches Regierungsprogramm verfüge. Das Motto der Ratspräsidentschaft "Ein Europa, das schützt", treffe im Kern genau das, was er bei seiner Antrittsrede im Europäischen Parlament im Juli 2014 gesagt habe.
Thema des Treffens waren auch die Freihandelsverträge der EU mit Drittländern; so informierte Juncker in Wien, dass er am kommenden Mittwoch gemeinsam mit dem japanischen Ministerpräsidenten das größte Freihandelsabkommen, das die EU je abgeschlossen habe, unterzeichnen werde. Gleichzeitig machte der Kommissionspräsident deutlich, dass sich "die ganze Welt eigentlich Handelsabkommen mit der Europäischen Union" wünsche. Im Zusammenhang mit dem Handelsstreit mit den USA kündigte Juncker erneut an, dass er vor Ende Juli den amerikanischen Präsidenten treffen und mit ihm über Handelsfragen reden werde, er hoffe, mit ihm eine bessere Verständigung zu finden.
Ziele der österreichischen Ratspräsidentschaft
Einleitend heißt es in dem Programm, Österreich übernehme den Vorsitz im Rat der Europäischen Union in einer Zeit großer Herausforderungen und Umbrüche auf dem europäischen Kontinent und darüber hinaus. Das diesjährige österreichische Gedenkjahr erinnere daran, dass Europa schon zahlreiche Krisen und Umwälzungen erlebt habe, die jedoch heute zu der Erkenntnis führten, dass Europa seine "dunkelsten Stunden" nicht nur überwinden konnte, sondern schließlich gestärkt und geeint aus ihnen hervortrat.
Der dauerhafte Frieden, Freiheit und der damit verbundene wachsende Wohlstand in allen Mitgliedsländern der EU seien große Errungenschaften der europäischen Einigung, die es zu erhalten gelte. Gleichzeitig stehe Europa vor neuen Herausforderungen, die alleine nicht bewältigt werden könnten. Dies seien die Intensivierung des internationalen Wettbewerbs, die Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen in unmittelbarer Nachbarschaft, die schwierige Bewältigung der globalen Migrationsströme, die wachsende Bedeutung des Klimaschutzes, und die Bedrohung durch Terrorismus und Radikalisierung. Der österreichische Ratsvorsitz sehe es als seine Aufgaben an, Antworten und Lösungen auf die vielen Herausforderungen zu finden, damit die Bürger/innen dem europäischen Einigungsprozess weiterhin ihre Unterstützung geben würden und Europa seine Errungenschaften, seine Werte und das europäische Lebensmodell erhalten könne.
Für das zweite Halbjahr habe sich Österreich zwei wichtige Themen auf die Agenda gesetzt: Der Abschluss der Verhandlungen über den Austritt von Großbritannien und die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2017).
Bei den Brexit-Verhandlungen gehe es darum, die Abkommen zum Austritt und zur Übergangsphase sowie die dem Abkommen beigefügte politische Erklärung über den Rahmen des künftigen Verhältnisses bis Herbst 2018 auszuhandeln. Das Hauptaugenmerk Österreichs werde dabei auf der Wahrung der Einheit der verbleibenden 27 EU-Mitgliedstaaten sowie der Schaffung von günstigen Voraussetzungen für die späteren Beziehungen Großbritanniens zur EU liegen.
Die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen müssten den Wegfall der britischen Beiträge zum EU-Haushalt berücksichtigen; außerdem müsse es darum gehen, dass die veranschlagten Finanzmittel einen europäischen Mehrwert aufweisen könnten, damit die EU als Gesamtheit von den Ausgaben profitieren könne.
Insgesamt sei Österreich mit seinem Ratsvorsitz bestrebt, gemäß seiner traditionellen Rolle als Brückenbauer und im Sinne seiner Neutralitätsverpflichtung zur Einheit der EU beizutragen.
Die österreichische Bundesregierung hat ihren Ratsvorsitz unter das Motto "Ein Europa, das schützt" gestellt. Daher wolle Wien die EU stärken und noch mehr Bürgernähe schaffen; letzteres solle vor allem durch die Verstärkung des Subsidiaritätsprinzips erreicht werden.
Die Ratspräsidentschaft hat drei Schwerpunktbereiche:
Sicherheit und Migration
Vor dem Hintergrund der unkontrollierten Migrationsbewegungen und der Sorgen der Menschen in Europa sei es wichtig, gemeinsam gegen illegale Migration vorzugehen. Im Vordergrund stehe dabei die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und die Ausrichtung und Verstärkung der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, FRONTEX, um einen effizienten Außengrenzenschutz sicherzustellen. Darüber hinaus strebe Österreich eine stärkere Zusammenarbeit mit Drittstaaten an, um einerseits schutzbedürftigen Menschen schon außerhalb der EU zu helfen und andererseits zu verhindern, dass nicht schutzbedürftige Menschen nach Europa kämen. Der informelle Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 20. September 2018 werde sich u.a mit diesem Thema beschäftigen.
Angesichts der Terrorbedrohungen und Radikalisierungen jeglicher Art und der Zunahme des organisierten Verbrechens in einer globalisierten Welt wolle Österreich seinen Ratsvorsitz nutzen, um die effiziente Zusammenarbeit, den Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden der EU-Mitgliedstaaten sowie die Interoperabilität großer Datenbanken zu verstärken.
Sicherung des Wohlstands und der Wettbewerbsfähigkeit durch Digitalisierung
Einleitend betont die österreichische Bundesregierung, dass die EU immer noch die führende Handelsmacht und der größte Binnenmarkt der Welt sei. Allerdings müssten diese Errungenschaften erhalten bleiben, die EU könne nur ihren Wohlstand und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten, wenn in den Bereichen Innovation und Digitalisierung essentielle Fortschritte erzielt würden. Die digitale Wirtschaft sei bereits heute für einen beachtlichen Anteil am Wachstum in Europa verantwortlich. Mit einer intelligenten Politik der digitalen Transformation könne die Wettbewerbsfähigkeit und die Nachhaltigkeit der europäischen Zukunft gewahrt werden. Dazu gehöre auch die Vollendung des digitalen Binnenmarktes und günstige Rahmenbedingungen für digitale Geschäftsmodelle und Dienstleistungen zu schaffen. Zusätzlich müssten die öffentlichen Haushalte vor schädlichem Steuerwettbewerb und Steuervermeidung geschützt werden. Unter der österreichischen Ratspräsidentschaft sollen daher die begonnenen Arbeiten der EU zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft fortgesetzt werden, damit sichergestellt werde, dass Gewinne dort besteuert werden, wo sie anfallen.
Stabilität in der Nachbarschaft - Heranführung des Westbalkans/Südosteuropas an die EU
Die EU können ihren Bürger/innen nur Stabilität, Sicherheit und Frieden bieten, wenn es auch in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU Stabilität und Sicherheit gebe. Daher werde ein Schwerpunkt der Ratspräsidentschaft auf der Förderung guter Beziehungen zu den Staaten des Westbalkans/Südosteuropas liegen. Die Region sei wirtschafts- und sicherheitspolitisch Teil Europas und habe sich während der Migrationskrise als verlässlicher Partner gezeigt. Hinzu komme, dass Österreich mit diesen Ländern ein gemeinsames historisches und kulturelles Erbe verbinde. Es liege sowohl im Sicherheits- als auch im Wirtschaftsinteresse Österreichs und Europas, dass die Zukunft des Westbalkans/Südosteuropas in der EU verankert sei. Aufbauend auf den erfolgreichen Arbeiten der bulgarischen Ratspräsidentschaft und der Erweiterungsstrategie der Europäischen Kommission vom 06. Februar 2018 werde sich Österreich mit den anderen EU-Mitgliedstaaten dafür einsetzen, die EU-Perspektive aller Staaten des Westbalkans/Südosteuropas auf Basis klarer Kriterien und auf der Grundlage ihrer individuellen Entwicklungen konkret auszugestalten und messbare Fortschritte zu erzielen.
Quelle und weitere Informationen:
- EU-Aktuell vom 06.07.2018
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