Europäische Kommission schlägt neue Besteuerungsregeln für die digitale Wirtschaft vor
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Am 21.03.2018 hat die Europäische Kommission neue Regeln für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft vorgeschlagen. Damit soll eine Lücke geschlossen werden, um zukünftig digitale Geschäftstätigkeiten in der EU auf faire und wachstumsfreundliche Weise besteuern zu können. Durch diese Maßnahmen würde die EU eine weltweite Vorreiterrolle bei der Konzeption von Steuergesetzen übernehmen, die der modernen Wirtschaft und dem digitalen Zeitalter gerecht werden.
Die Europäische Kommission reagiert mit ihrem Vorschlag auf den jüngsten Boom bei der Digital- und social-media-Branche, bei den Kooperationsplattformen und den Anbietern von Online-Inhalten, die einen erheblichen Umsatz machen und maßgeblich zum Wirtschaftswachstum in der EU beitragen. Die derzeitigen Steuergesetze sind jedoch auf die physische Präsenz von Firmen und Unternehmen ausgerichtet, nicht jedoch auf die online-Tätigkeit. Die Europäische Kommission verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass neun der zwanzig nach Marktkapitalisierung führenden Unternehmen inzwischen digitale Unternehmen sind, vor zehn Jahren war es ein von 20 Unternehmen. Die Herausforderung besteht für die Europäische Kommission darin, sicherzustellen, dass die digitalen Unternehmen ihren gerechten Anteil an Steuern bezahlen, denn verschiedene Entwicklungen in der Vergangenheit hatten deutlich gemacht, dass die digitalen Unternehmen einen vergleichsweise geringen Steuersatz zahlen und damit eine reale Gefahr für die öffentlichen Einnahmen der Mitgliedstaaten darstellen; der durchschnittliche effektive Steuersatz digitaler Unternehmen ist nach Recherchen der Europäischen Kommission zur Zeit nur halb so hoch wie für physische Unternehmen.
Die Vorschläge seien eine Antwort auf den Auftrag der EU-Mitgliedstaaten vom EU-Gipfel im Oktober 2017 an die Europäische Kommission nach dauerhaften und langfristigen Lösungen zur Sicherung einer fairen Besteuerung von Online-Tätigkeiten zu suchen. Die Europäische Kommission hat zwei Legislativvorschläge vorgelegt:
Rechtsvorschlag 1: Eine gemeinsame Reform der Körperschaftssteuer-Vorschriften der EU für die digitale Präsenz
Die erste Initiative zielt darauf ab, die Körperschaftsteuer-Vorschriften zu überarbeiten, damit Gewinne dort registriert und besteuert werden, wo über digitale Kanäle signifikante Interaktionen zwischen Unternehmen und Nutzern stattfinden. Diese Option ist die von der Kommission bevorzugte langfristige Lösung.
Dieser Vorschlag würde es den EU-Mitgliedstaaten erlauben, Gewinne eines Unternehmens, das sich nicht in ihrem Hoheitsgebiet befindet dennoch zu besteuern, d.h. die neuen Vorschriften würden sicherstellen, dass online-Unternehmen genauso wie herkömmliche Unternehmen Steuern zahlen und damit einen Beitrag zu den öffentlichen Einnahmen leisten.
Als Definition einer „digitalen Präsenz“ oder einer virtuellen Betriebsstätte einer digitalen Plattform in einem Mitgliedstaat schlägt die Europäische Kommission folgende Kriterien fest:
• Jährliche Erträge von mehr als 7 Mio. Euro in einem Mitgliedstaat
• Mehr als 100.000 Nutzer in einem Steuerjahr in einem Mitgliedstaat
• Abschluss von mehr als 3.000 Geschäftsverträgen über digitale Dienstleistungen zwischen den Unternehmen und gewerblichen Nutzern in einem Steuerjahr
Der Vorschlag soll ein neues Sytem einrichten, das eine klare Verbindung zwischen dem Ort der Erzielung digitaler Gewinne und dem Ort der Besteuerung der Gewinne zieht.
Rechtsvorschlag 2 schlägt eine Zwischensteuer für die wichtigsten digitalen Tätigkeiten vor, die derzeit in der EU überhaupt nicht besteuert werden.
Der Rechtsvorschlag soll für eine Übergangszeit eine Übergangssteuer sicherstellen für Tätigkeiten, die derzeit nicht wirksam besteuert werden können, weil sie mit bestimmten, bisher überhaupt nicht besteuerten digitalen Tätigkeiten erwirtschaftet werden. Gleichzeitig soll die Initiative Elemente zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung enthalten. Die vorgesehene Steuer würde folgende Erträge erfassen:
• Erträge aus dem Verkauf von Online-Werbeflächen
• Erträge aus digitalen Vermittlungsgeschäften, die Nutzern erlauben, mit anderen Nutzern zu interagieren und die den Verkauf von Gegenständen und Dienstleistungen zwischen ihnen ermöglichen
• Erträge aus dem Verkauf von Daten, die aus Nutzerinformationen generiert werden.
Zum vorgesehenen Verfahren informiert die Europäische Kommission wie folgt: „Die Steuereinnahmen würden von den Mitgliedstaaten erhoben, in denen die Nutzer ansässig sind. Die Besteuerung würde nur für Unternehmen mit jährlichen weltweiten Gesamterträgen in Höhe von 750 Mio. Euro und EU-Erträgen in Höhe von 50 Mio. Euro gelten. Dadurch würde sichergestellt, dass kleinere Start-up- und Scale-up-Unternehmen nicht belastet würden. Mit einem Steuersatz von 3 Prozent könnten jährlich schätzungsweise Einnahmen von 5 Mrd. Euro in den Mitgliedstaaten erzielt werden“.
Anlässlich der Erläuterung der Vorschläge erklärte der für den Euro und den sozialen Dialog zuständige Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis: „Die Digitalisierung birgt zahlreiche Vorteile und Chancen, erfordert aber auch eine Anpassung unserer herkömmlichen Vorschriften und Systeme. Unsere erste Wahl wären auf globaler Ebene, auch mit der OECD, vereinbarte Vorschriften. Derzeit wird jedoch ein inakzeptabel hoher Teil der Gewinne überhaupt nicht besteuert. Wir müssen unsere Steuervorschriften dringend auf den Stand des 21. Jahrhunderts bringen, indem wir eine neue umfassende und zukunftsfähige Lösung einführen.“
Pierre Moscovici, Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll, fügte hinzu: „Die digitale Wirtschaft stellt eine große Chance für Europa dar, und Europa bietet Digitalunternehmen enorme Ertragsmöglichkeiten. Diese Win-Win-Situation wirft allerdings rechtliche und steuerliche Bedenken auf. Unsere Vorschriften aus der Vor-Internet-Ära erlauben es den Mitgliedstaaten nicht, in Europa tätige Digitalunternehmen zu besteuern, wenn diese hier nur eine geringe oder keine physische Präsenz aufweisen. Dies entspricht einem ständig wachsenden schwarzen Loch für die Mitgliedstaaten, da ihre Steuerbasis schwindet. Aus diesem Grund schlagen wir neue Rechtsstandards sowie eine Übergangssteuer für digitale Tätigkeiten vor.“
Die Vorschläge müssen nun zwischen Europäischer Kommission, dem zuständigen Ministerrat und dem Europäischen Parlament verhandelt werden.
Quelle und weitere Information:
EU-Aktuell vom 21.03.2018
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (04.04.2018) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.