Europäische Kommission legt einen Neuen Mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021-2027 vor
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Die Europäische Kommission hat am 02.05.2018, wie angekündigt, einen Vorschlag für ein modernes und langfristiges Budget für den Zeitraum 2021-2027 vorgelegt, das nach ihrer Betonung schützt, stärkt und verteidigt.
Der von Kommissionspräsident Juncker vorgestellte "Mehrjährige Finanzrahmen" wird der neuen doppelten Herausforderung gerecht - der drohende Austritt Großbritanniens aus der EU und die neue Weltsicherheitslage - indem er Ausgaben kürzt und gleichermaßen neue Finanzmittel nutzt. So sollen die neuen und wichtigsten Prioritäten der EU - Flüchtlingskrise, Vertiefung Wirtschafts- und Währungsunion, Verteidigung, Digitalisierung - fortgesetzt werden bzw. die Finanzmittel für die Schwerpunktthemen werden aufgestockt; dies muss gleichzeitig in anderen Bereichen (Regional- und Agrarpolitik) zu Kürzungen führen. Die Europäische Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass die Haushaltsplanung der EU sich auf die Politikbereiche konzentriert, in denen die EU mehr als die EU-Mitgliedstaaten und andere Akteure bewirken können.
Die Haushaltsplanungen im Einzelnen:
1. Ein fokussierter Haushalt: Balance zwischen Ambitionen und Ressourcen
Die Europäische Kommission schlägt eine langfristige Haushaltsplanung vor, in der 1135 Mrd. Euro an Finanzmitteln für Verpflichtungen (d.h. Planungen zu Preisen von 2018) eingestellt werden; dies entspricht 1,11 des Bruttonationaleinkommens der 27 EU-Mitgliedstaaten. Auf der anderen Seite sollen 1105 Mrd. Euro an Zahlungsmittel zur Verfügung stehen (tatsächliche Auszahlungen). Die Europäische Kommission hat unter diese Berechnungen den Europäischen Entwicklungsfonds (EDF) mit einbezogen. Der EDF ist bisher ein zwischenstaatliches Abkommen und ist das wichtigste Instrument zur Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit mit den AKP-Ländern (Afrika, Karibik und Pazifik).
Die Europäische Kommission macht deutlich, dass zur Finanzierung neuer und dringender Prioritäten die gegenwärtige Mittelausstattung nicht ausreicht, sondern erhöht werden muss. So sollen die Finanzmittel für die EU-Programme Erasmus+ (Allgemeine und Berufliche Bildung, Jugend und Sport) und das Europäische Solidaritätskorps (Programm zur Förderung von Praktika und befristeten Arbeitsplätzen für Jugendliche bis 30 Jahre für Solidaritätsdienste) verdoppelt werden; außerdem sollen die Bereiche digitale Wirtschaft, Grenzmanagement, Sicherheit und Verteidigung sowie Forschung und Innovation mit mehr Finanzmitteln ausgestattet werden, weil sie zu Wohlstand, Nachhaltigkeit und Sicherheit in der Zukunft beitragen können.
Wie angekündigt, hat die Europäische Kommission vor dem Hintergrund des drohenden Brexits Einsparpotenziale gesucht und schlägt vor, die Finanzmittel für die Gemeinsame Agrarpolitik und die Köhäsionspolitik um 5 Prozent zu kürzen. Zum Ausgleich der Kürzungen soll es Modernisierungen geben, um trotz sinkender Ressourcen neue Prioritäten verwirklichen zu können. So soll die EU-Kohäsionspolitik eine wichtige Rolle bei der Förderung von Strukturreformen und der langfristigen Integration von Migrant/innen spielen.
2. Ein moderner, einfacher und flexibler Haushalt
Nach Ansicht der Europäischen Kommission nimmt sich der EU-Haushalt über die nächsten sieben Jahr im Vergleich zu den nationalen Haushalten bescheiden aus. Daher stehe bei allen Investitionen der europäische Mehrwert im Vordergrund, nach dem die Verwendung von Geldern auf Politikbereiche konzentriert wird, deren Ergebnisse allen Mitgliedstaaten zu Gute kommen. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission einen modernen, einfachen und flexiblen Haushalt vorgeschlagen.
Modern: bedeutet einen weiteren Abbau von Bürokratie für die Begünstigten und die bewilligenden Verwaltungsbehörden. Auch auf Wunsch vieler EU-Mitgliedstaaten sollen die Vorschriften auf der Grundlage eines einheitlichen Regelwerks kohärenter gestaltet werden, d.h. kompakter und verständlicher.
Einfach: bedeutet, dass die Haushaltsgelder klarer und stärker an den Prioritäten der Union ausgerichtet werden. Nach Ansicht der Europäischen Kommission gibt es bisher sowohl innerhalb des Haushalts als auch außerhalb der Haushalts (Finanzlinien, Fonds) zu viele Instrumente und Programme. In der neuen Finanzperiode soll es nur noch 37 Programme (bisher 58) geben, d.h. thematisch zusammengehörige Programme werden zusammengelegt oder einzelne Finanzierungslinien werden in ein bereits bestehendes oder neues Programm integriert.
Flexibel: bedeutet, dass es sowohl zwischen als auch innerhalb der Programme mehr Flexibilität geben soll. Hintergrund ist, dass mit dem Auftreten der Flüchtlingskrise eine thematische wie finanzielle Anpassung der Operationellen Programme der Bundesländer nicht möglich war bzw. die Genehmigungsverfahren hierfür zu lange dauerten. Zusätzlich soll für eine plötzliche Krisenbewältigung eine finanzielle "Unionsreserve" eingeführt werden, die dann sehr schnell auf die Bedürfnisse verteilt werden kann (z.B. Sicherheit an den Grenzen, Aufnahme von Flüchtlingen).
3. Der EU-Haushalt und die Rechtsstaatlichkeit: Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung
Eine sehr wichtige Neuerung ist nach Meinung der Europäischen Kommission, dass die Finanzierungen der EU erstmalig an das Kriterium der Rechtsstaatlichkeit gekoppelt werden. Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit ist für die Europäische Kommission eine Grundvoraussetzung für die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung und eine wirksame EU-Finanzierung. Daher soll mit der neuen Finanzperiode ein neuer Mechanismus eingeführt werden, der den EU-Haushalt vor finanziellen Risiken schützen soll, die auf generelle Rechtsstaatlichkeitsdefizite zurückgehen. Dieses neue Instrument würde der Europäischen Kommission die Möglichkeit geben, den Zugang zu EU-Finanzmitteln zu beschränken, zu verringern oder ganz auszusetzen und das im Verhältnis zu der Art, der Schwere und zum Umfang der Rechtsstaatlichkeitsdefizite. Eine solche Entscheidung würde der Rat auf Vorschlag der Europäischen Kommission mit der umgekehrten qualifizierten Mehrheit treffen (d.h. mindestens 255 Stimmen müssten der Empfehlung der Kommission zustimmen, Deutschland hat z.B. 29 Stimmen).
4. Ein EU-Haushalt für eine starke und stabile Wirtschafts- und Währungsunion
Die Europäische Kommission betont, dass ein stabiler Euroraum Grundvoraussetzung für Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und soziale Fairness in den 19 Euroländern, aber auch für die gesamte EU sei. Für den neuen Finanzrahmen hat die Europäische Kommission zwei neue Instrumente vorgeschlagen:
Ein neues, mit insgesamt 25 Mrd. Euro ausgestattetes Reformhilfeprogramm soll alle EU-Mitgliedstaaten mit technischer Hilfe und finanziellen Mitteln unterstützen, die im Zusammenhang mit dem Europäischen Semester strukturelle Reformen planen.
Außerdem sollen die Mitgliedsländer der EU, die nicht Mitglied im Euroraum sind, aber werden wollen, in ihren Bemühungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit mit einer sog. Konvergenzfaszilität gezielt unterstützt werden.
Ferner soll eine Europäische Investitionsstabilisierungsfunktion eingerichtet werden, die bei schweren Wirtschaftsschocks den Mitgliedstaaten ausreichend Finanzmittel an die Hand geben soll, um immer noch ausreichend Investitionen tätigen zu können. Die Europäische Kommission plant, "Back-to-Back"-Darlehen von bis zu 30 Mrd. Euro aus dem EU-Haushalt zu vergeben, die mit einer finanziellen Unterstützung für die Mitgliedsländer zur Deckung von Zinskosten kombiniert sind.
5. Moderne Finanzierungsquellen für den EU-Haushalt
Schon seit einigen Jahren wird in Brüssel über anders ausgestaltete bzw. neue Eigenmittel für die EU diskutiert. Für die neue Finanzperiode schlägt die Europäische Kommission Vereinfachungen bei den auf der Mehrwertsteuer (MwSt.) basierenden Eigenmitteln und die Einführung eines sogenannten Korbs neuer Eigenmittel vor, der an die politischen Prioritäten gekoppelt ist.
Dieser Korb neuer Eigenmittel soll aus folgenden Elementen bestehen:
- 20 Prozent der Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem;
- einem Abrufsatz von 3 Prozent, angewendet auf die neue gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (die mit der Verabschiedung der erforderlichen Rechtsvorschriften Schritt für Schritt eingeführt werden soll);
- einem nationalen Beitrag (0,80 Euro/Kilo), der anhand der in jedem Mitgliedstaat anfallenden, nicht wiederverwerteten, Verpackungsabfälle aus Kunststoff berechnet wird.
Diese neuen Eigenmittel würden nach Berechnungen der Europäischen Kommission etwa 12 Prozent des gesamten EU-Haushalts ausmachen und könnten bis zu 22 Mrd. Euro jährlich zur Finanzierung neuer Prioritäten beitragen.
Rabatte
Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU bietet die Gelegenheit, das komplizierte Rabattsystem - es gibt sogar "Rabatte auf den Rabatt" - anzugehen. Nach dem Vorschlag der Kommission sollen alle Rabatte wegfallen. Zudem soll der Anteil, der von den Mitgliedstaaten einbehalten wird, wenn sie Zölle (eine Kategorie der sogenannten Eigenmittel) für den EU-Haushalt erheben, von 20 auf 10 Prozent gesenkt werden. Beide Maßnahmen sorgen nach Ansicht der Haushälter dafür, dass der EU-Haushalt einfacher und gerechter wird.
Zur Vermeidung plötzlicher und drastischer Erhöhungen der Beiträge für einige Mitgliedstaaten regt die Kommission an, die bestehenden Rabatte während eines Zeitraums von fünf Jahren auslaufen zu lassen.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kommentierte die Vorlage des Vorschlags wie folgt: "Heute ist ein wichtiger Moment für unsere Union. Die neue Haushaltsplanung bietet die Chance, unsere Zukunft als neue, ambitionierte Union der 27 zu gestalten, in der alle Mitgliedstaaten in Solidarität miteinander verbunden sind. Der konjunkturelle Rückenwind verschafft uns zwar eine Atempause, wird uns aber nicht vor Einsparungen in einigen Bereichen verschonen. Wir werden die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung sicherstellen, indem wir erstmals einen Mechanismus für Rechtsstaatlichkeit vorschlagen. Das ist gemeint, wenn von verantwortungsvollem Umgang mit Steuergeldern die Rede ist."
Der für Haushalt und Personal zuständige Kommissar Günter Oettinger erklärte: "Bei diesem Budget-Vorschlag geht es um echten europäischen Mehrwert. Wir investieren noch mehr in Bereichen, in denen ein einzelner Mitgliedstaat allein keine Lösungen finden kann oder in denen ein gemeinsames Handeln einfach effizienter ist. Beispiele dafür sind Forschung, Migration, Grenzkontrolle oder Verteidigung. Und wir finanzieren weiterhin Maßnahmen in traditionellen, aber modernisierten Politikbereichen wie der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Kohäsionspolitik. Denn es ist in unser aller Interesse, dass unsere landwirtschaftlichen Produkte hohen Standards genügen und Regionen wirtschaftlich aufholen."
Wie geht es weiter:
Die Europäische Kommission wird ihre Vorschläge in den kommenden Wochen durch ausführliche sektorspezifische Vorschläge näher erläutern. Danach müssen die Vorschläge in die Trilogverhandlungen, d.h. zwischen Rat, Europäischem Parlament und Europäischer Kommission diskutiert und entschieden werden. Kommissionspräsident Juncker strebt eine Einigung über den neuen Finanzrahmen noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament und vor dem Gipfeltreffen im rumänischen Sibiu am 09. Mai 2019 an.
Quelle und weitere Informationen:
- EU-Aktuell vom 02.05.2018
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