Europäische Kommission macht neue Vorschläge zur sozialen Sicherheit in der EU
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Die Europäische Kommission hat Mitte Dezember 2016 Vorschläge zur besseren Koordinierung und gerechteren Ausgestaltung der sozialen Sicherheit vorgelegt. Danach sollen die EU-Mitgliedstaaten künftig festlegen können, dass ausländische EU-BürgerInnen erst dann Anspruch auf Arbeitslosengeld des betreffenden Mitgliedslandes haben, wenn sie dort mindestens drei Monate gelebt haben. Arbeitssuchende sollen bei einem Wohnortwechsel in ein anderes EU-Mitgliedsland ihre Arbeitslosenleistungen für mindestens sechs Monate mitnehmen können (bisher drei Monate).
Die am 14.12. 2016 vorgeschlagenen Veränderungen soll die Freizügigkeit für Arbeitssuchende und Arbeitnehmer in der EU erleichtern und den EU-Mitgliedstaaten die rechtlichen Instrumente an die Hand geben, die einen Missbrauch und/oder Betrug von Sozialleistungen verhindern. Für folgende vier Bereiche hat die Europäische Kommission Vorschläge vorgelegt:
Arbeitslosenleistungen:
Arbeitssuchende sollen zukünftig ihre Arbeitslosenleistungen für sechs Monate in das andere Mitgliedsland mitnehmen können. Dies soll nach dem Willen der Europäischen Kommission die Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden, erhöhen und die Arbeitslosigkeit in der EU verringern
GrenzgängerInnen:
Für Arbeitnehmer, die in einem EU-Mitgliedsland wohnen und in einem anderen EU-Mitgliedstaat leben (und mindestens einmal pro Woche in ihren Heimatort fahren) wird zukünftig der Mitgliedstaat für Arbeitslosenleistungen zuständig sein, in dem sie die letzten 12 Monate gearbeitet haben, d.h. der Mitgliedstaat, der von dem Gehalt des Arbeitnehmers die anteiligen Beträge zur Arbeitslosenversicherung erhalten hat, soll auch im Fall des Eintretens der Arbeitslosigkeit die Leistungen zahlen. In diesem Zusammenhang können die Mitgliedstaaten festlegen, dass der Arbeitnehmer vor seiner evtl. Arbeitslosigkeit mindestens drei Monate in dem betreffenden Mitgliedstaat gelebt haben muss, d.h. erst nach diesem Mindestaufenthalt kann der Arbeitnehmer auf die in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Erwerbszeit zurückgreifen und Arbeitslosenleistungen beantragen.
Pflegeleistungen:
Der jetzige Vorschlag der Europäischen Kommission erläutert, was Pflegeleistungen sind und wo mobile BürgerInnen Pflegeleistungen beantragen können.
Zugang nicht Erwerbstätiger zu Sozialleistungen:
Unter Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt der Vorschlag zukünftig den Mitgliedstaaten mobilen Personen, die nicht erwerbstätig sind, d.h. nicht arbeiten, aktiv keine Arbeit suchen und sich illegal aufhalten, Sozialleistungen zu verweigern. Das bedeute im Umkehrschluss, dass mobile Personen nur ein (legales) Aufenthaltsrecht haben, wenn sie selbst über ausreichende Finanzmittel zur Sicherung ihrer Existenz verfügen und umfassend krankenversichert sind.
Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der EU für entsandte Arbeitnehmerinnen
Mit den neuen Vorschlägen möchte die Europäische Kommission sicherstellen, dass die EU-Mitgliedstaaten über die passenden rechtlichen Möglichkeiten verfügen, um den Sozialversicherungsstatus der Arbeitnehmer zu überprüfen, die in ihr Land entsandt wurden. Daher legen die Vorschläge klarere Verfahren der Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten untereinander fest, die auch dazu dienen sollen, Missbrauch und Betrug zu bekämpfen.
In diesem Zusammenhang weist die Europäische Kommission ausdrücklich darauf hin, dass die neuen Regelungen keine Veränderung beim Kindergeld vorsehen, d.h. die Leistungen an Kinder in einem anderen Land als z.B. ihre Eltern leben, bleibt bestehen und muss von dem Mitgliedsland bezahlt werden, in dem die Eltern leben. Die Europäische Kommission erläutert zu diesem Punkt, dass weniger als ein Prozent der Leistungen für Kinder von einem zum anderen Mitgliedstaat „exportiert“ werden.
Hintergrund:
Der freie Personenverkehr wäre ohne EU-Vorschriften zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit nicht möglich. Denn diese Vorschriften garantieren, dass niemand, der in ein anderes EU-Mitgliedsland zieht, seinen Sozialschutz verliert; die Vorschriften gelten nicht nur für die 28 EU-Mitgliedstaaten, sondern auch für EWR-Staaten Liechtenstein, Island, Norwegen und die Schweiz. Die Koordinierung der Sozialsysteme existiert bereits seit 1959 und wird regelmäßig den aktuellen Lebens- und Arbeitsbedingungen angepasst.
Die EU –Vorschriften gelten für Kranken-, Mutterschafts-, und gleichgestellte Vaterschaftsleistungen, für die Altersversorgung, für Vorruhestands- und Invaliditätsleistungen, Hinterbliebenenleistungen und Sterbegeld, Arbeitslosenleistungen, Familienleistungen sowie Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten.
Die Europäische Kommission betont an dieser Stelle ausdrücklich, dass die EU-Vorschriften nicht in nationale Bestimmungen und Leistungen eingreifen, d.h. sie regeln nicht, welche Personen zu versichern sind und welche Leistungen diese zu erhalten haben. Die EU-Koordinierungsvorschriften dienen dazu, festzustellen, welchem nationalen Sozialsystem ein(e) mobile® Bürger/in angehört bzw. unterliegt. Die Vorschriften haben den ausschließlichen Zweck zu verhindern, dass Menschen überhaupt nicht bzw. doppelt abgesichert sind.
Geltungsbereich der EU-Vorschriften zu den sozialen Systemen:
- Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten und der EWR-Staaten (Lichtenstein, Island, Norwegen und die Schweiz), die in einem dieser Länder versichert sind oder waren, sowie deren Familienangehörige
- Staatenlose oder Flüchtlinge mit Wohnsitz in einem der EU-Mitgliedstaaten und der EWR-Staaten, die in einem dieser Länder versichert sind oder waren sowie deren Familienangehörige
- Angehörige von Nicht-EU-Staaten, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten und sich von einem dieser Länder in einen anderen Staat begeben haben; dasselbe gilt für Familienangehörige
Es gelten im Übrigen die folgenden vier Grundprinzipien:
- Die Personen unterliegen zu jedem Zeitpunkt immer nur den Rechtsvorschriften eines einzigen Landes und zahlen daher auch nur in einem Land Beiträge. Welche Rechtsvorschriften zum Tragen kommen, entscheiden die Sozialversicherungsträger.
- Die Personen haben dieselben Rechte und Pflichten wie die Angehörigen des Landes, in dem Sie versichert sind. Dies ist der Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. der Nichtdiskriminierung.
- Beantragen die Personen eine Leistung, werden ihre früheren Versicherungs-, Beschäftigungs- oder Aufenthaltszeiten in anderen Ländern unter Umständen angerechnet.
- Wenn die betroffenen Anspruch auf Geldleistungen haben, können diese grundsätzlich auch dann gewährt werden, wenn Sie in einem anderen Land leben. Dies wird als Grundsatz der Exportierbarkeit bezeichnet.
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