20 EU-Mitgliedstaaten richten Europäische Staatsanwaltschaft ein
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Am 08.06.2017 haben im Ministerrat für Justiz 20 EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, beschlossen, im Rahmen der sog. "verstärkten Zusammenarbeit" eine Europäische Staatsanwaltschaft einzurichten, deren primäre Aufgabe die Betrugsbekämpfung im Zusammenhang mit dem EU-Haushalt sein wird. Nach der noch ausstehenden notwendigen Zustimmung des Europäischen Parlaments darf die neue Behörde in Strafsachen ermitteln, die den EU-Haushalt betreffen und dies strafrechtlich verfolgen; Beispiele sind hier der grenzüberschreitende Betrug mit Mehrwertsteuern oder die Korruption im Zusammenhang mit EU-Fördergeldern. Die Europäische Kommission verweist darauf, dass damit eine "starke, unabhängige und effiziente Behörde aufgebaut" ... wird, "die auf die EU-weite Bekämpfung von Finanzkriminalität spezialisiert ist".
Notwendigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft
Die Europäische Staatsanwaltschaft soll vor allem die Entfremdung von und den Betrug mit EU-Finanzmitteln verhindern bzw. bekämpfen. Die Europäische Kommission legt dar, dass den nationalen Haushalten Jahr für Jahr durch grenzüberschreitenden Betrug Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von mindestens 50 Mrd. € verloren gehen; im Jahr 2015 konnten die EU-Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission betrügerische Unregelmäßigkeiten in Höhe von 638 Mio. € mitteilen (ohne die entgangenen Mehrwertsteuereinnahmen). Nach den bisherigen Erfahrungen seien die Möglichkeiten der nationalen Staatsanwaltschaften zur Bekämpfung groß angelegter grenzüberschreitender Finanzkriminalität begrenzt. Die neue Europäische Behörde soll nach dem Willen aller Beteiligter rasche Ermittlungen in ganz Europa und einen Informationsaustausch "in Echtzeit" durchführen. Damit erhofft sich Brüssel eine Wende in den immer wieder großen finanziellen Verlusten für den EU-Haushalt.
Diese EU-Mitgliedstaaten haben sich im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit für die Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft entschieden:
Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Österreich, Portugal, Rumänien, der Slowakischen Republik, Slowenien, Spanien, der Tschechischen Republik und Zypern. Nach der Zustimmung durch das Europäische Parlament können weitere EU-Mitgliedstaaten bei Interesse der Vereinbarung beitreten.
Portrait der Europäischen Staatsanwaltschaft
Eine unabhängige Behörde
Die Europäische Staatsanwaltschaft wird als zentrale Behörde aller teilnehmenden Mitgliedstaaten fungieren. Sie wird als hoch spezialisierte und unabhängige Behörde außerhalb der bestehenden Organe und Dienste fungieren und im Interesse der EU agieren, ohne dabei Weisungen von Organen der EU oder nationalen Behörden einzuholen oder anzunehmen.
Eine effiziente Zusammenarbeit mit nationalen Behörden
Die Europäische Staatsanwaltschaft wird sich in eine zentrale EU-Ebene mit einem Zentralbüro und eine dezentrale Ebene mit abgeordneten europäischen Staatsanwälten in den Mitgliedstaaten gliedern, wobei die europäischen Staatsanwälte auch weiterhin ihr Amt als nationale Staatsanwälte ausüben werden (Doppelfunktion). Die auf nationaler Ebene durchgeführten Ermittlungen und strafrechtlichen Verfolgungen werden vom Zentralbüro beaufsichtigt, damit ein einheitlicher Ansatz in der gesamten EU gewährleistet ist. Auf diese Weise wird die Staatsanwaltschaft ein breites Spektrum an Fachwissen über nationale Rechtsordnungen und Erfahrungen bündeln und gleichzeitig ihre Unabhängigkeit wahren. Wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt, werden die nationalen Behörden ihre Kompetenzen in derselben Strafsache nicht ausüben.
Eine Behörde für rasche Ermittlung und Strafverfolgung
Die Europäische Staatsanwaltschaft wird wirksam gegen Betrug zulasten des EU-Haushalts und Mehrwertsteuerbetrug (beispielsweise Betrugsdelikte mit einem Schadensvolumen von mehr als 10.000 EUR und grenzüberschreitender Mehrwertsteuerbetrug mit einem Volumen von mehr als 10 Millionen EUR) vorgehen können. Sie wird in bestimmten grenzüberschreitenden Fällen ohne langwierige Verfahren der justiziellen Zusammenarbeit ermitteln und direkt vor den nationalen Gerichten Klage gegen die Straftäter erheben können. Damit wird die Strafverfolgung entscheidend verbessert, und es können auf betrügerische Weise erlangte Gelder besser zurückerlangt werden.
Ein umfassendes Konzept zum Schutz von Steuergeldern
Während die Europäische Staatsanwaltschaft für strafrechtliche Ermittlungen zuständig sein wird, wird das OLAF weiterhin verwaltungsrechtliche Untersuchungen durchführen, um in allen Mitgliedstaaten der Union gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete Unregelmäßigkeiten und Betrug aufzudecken. Auf diese Weise wird ein möglichst umfassender Schutz für den EU-Haushalt gewährleistet und die Aufdeckungs- und die Verurteilungsquote gesteigert.
Anlässlich der Bekanntgabe der Gründung sagte der für Haushalt und Humanressourcen zuständige Kommissar Günther H. Oettinger:
"In keiner Weise tolerieren wir Betrug zulasten des EU-Haushalts. Jeder Cent muss unseren Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen. Mit einer starken, unabhängigen und effizienten Europäischen Staatsanwaltschaft verstärken wir unsere Anstrengungen zum Schutz von Steuergeldern, indem wir einen europäischen Ansatz zur strafrechtlichen Ermittlung und Verfolgung von Straftaten zulasten des Unionshaushalts gewährleisten. Die Europäische Staatsanwaltschaft ist eine wesentliche Ergänzung der derzeit auf Unionsebene verfügbaren Mittel, d.h. der Arbeit des OLAF im Bereich der verwaltungsrechtlichen Untersuchungen."
Die für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung zuständige EU-Kommissarin Vera Jourová, fügte hinzu: "Wir haben uns sehr dafür eingesetzt, so viele Mitgliedstaaten wie möglich zu überzeugen, und ich freue mich sehr, dass wir 20 Mitgliedstaaten für die Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft gewinnen konnten. Das ist ein großer Erfolg, der gewährleistet, dass die Europäische Staatsanwaltschaft bereits vom ersten Tag an wirksam funktioniert. Das ist ein guter Tag für die Steuerzahler in Europa. Die Europäische Staatsanwaltschaft wird die überaus wichtige Arbeit von Eurojust - der EU-Agentur für die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen - ergänzen, sodass sich Eurojust stärker der Bekämpfung von Terrorismus, Menschenhandel und anderen Straftaten widmen kann."
Erläuterung zur Möglichkeit der Verstärkten Zusammenarbeit
Das Instrument der Verstärkten Zusammenarbeit wird in den Art. 326ff Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union geregelt. Damit können sich EU-Mitgliedstaaten, die auf einem bestimmten Gebiet enger zusammenarbeiten wollen, in einem "Fachverbund" zusammentun, hierfür stellen sie einen Antrag bei der Europäischen Kommission, die den jeweiligen Rat unterrichtet und der dieser Kooperation einstimmig zustimmen muss. Die Verstärkte Zusammenarbeit muss jederzeit anderen interessierten Mitgliedstaaten offenstehen.
Zur Unterscheidung von OLAF und Europäischer Staatsanwaltschaft
OLAF:
Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung wurde 1999 als eigene unabhängige Dienststelle der Europäischen Kommission gegründet. Es hat die Aufgabe, die missbräuchliche Verwendung von EU-Haushaltsmitteln oder die Hinterziehung von Steuern, Zöllen und Abgaben zu untersuchen und bei konkreter Bestätigung die Rückforderung der EU-Finanzmittel zu empfehlen. Bei den Untersuchungen arbeitet OLAF eng mit den nationalen Behörden des Landes zusammen, in dem die Unregelmäßigkeiten aufgedeckt wurden; OLAF hat in solchen Fällen auch das Recht auf direkte Kontrollen vor Ort. OLAF führt damit verwaltungsrechtliche Untersuchungen durch.
Europäische Staatsanwaltschaft:
Die Europäische Staatsanwaltschaft ist für die strafrechtlichen Ermittlungen zuständig.
Quelle und weitere Informationen:
- EU-Aktuell vom 08.06.2017
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (12.06.2017) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.