Europäische Kommission schlägt europäischen Grenz- und Küstenschutz zur Sicherung der Außengrenzen vor
Europa |
Vor dem Hintergrund der ungeordneten Flüchtlingsströme in die EU hat die Europäische Kommission am 15.12.2015 Rechtsvorschläge für den Aufbau eines europäischen Grenz- und Küstenschutzes vorgelegt. Mit unterschiedlichen Maßnahmen sollen die EU-Außengrenzen besser geschützt, der wachsende Migrationsdruck besser gesteuert, die innere Sicherheit der EU-Mitgliedstaaten verbessert und gleichzeitig das Schengensystem mit den offenen Binnengrenzen erhalten werden. Im Mittelpunkt der Vorschläge steht die Europäische Grenzschutzagentur Frontex, deren bisherige Aufgabe die Sicherung der Außengrenzen der EU ist. Mit den Vorschlägen soll das Mandat von Frontex erweitert werden,, so soll sie künftig das Recht haben, unmittelbar tätig zu werden und mobile Grenzschutz- und Küstenwacheteams einzusetzen, und dies auch gegen den Willen der EU-Mitgliedstaaten, wenn diese nicht willens oder in der Lage sind, die Außengrenzen zu schützen. Zusätzlich schlägt die Europäische Kommission zur Verbesserung der Sicherheit der BürgerInnen Europas vor, alle ein- und ausreisenden Personen in und aus dem Schengenraum zu kontrollieren und einen Abgleich mit vorhandenen Datenbanken einzuführen.
Der neue europäische Grenz- und Küstenschutz soll sich nach den Vorschlägen der Europäischen Kommission aus einer aus Frontex hervorgehenden Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenschutz und den für das Grenzmanagement zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten (die weiterhin das laufende Managemnet der Außengrenzen haben sollen), zusammensetzen.
Der neue europäische Grenz- und Küstenschutz soll zukünftig folgende Rechte und Handlungsmöglichkeiten umfassen:
Überwachungs- und Aufsichtsfunktion: Die Europäische Kommission schlägt die Einrichtung einer Zentralstelle für die Überwachung und die Risikoanalyse vor, um die Migrationsströme in die und innerhalb der Europäischen Union zu überwachen und Risikoanalysen sowie verbindliche Schwachstellenbewertungen durchführen sowie Schwachstellen ermitteln und beseitigen zu können. Zu diesem Zweck sollen Verbindungsbeamte in die Mitgliedstaaten abgestellt werden, um Präsenz vor Ort zu gewährleisten, wenn Grenzen gefährdet sind. Die Agentur soll in die Lage versetzt werden, die operative Leistungsfähigkeit, die technische Ausrüstung und die Ressourcen, die den Mitgliedstaaten zur Bewältigung von Herausforderungen an ihren Außengrenzen zur Verfügung stehen, zu bewerten sowie die Mitgliedstaaten zum Ergreifen der erforderlichen Maßnahmen aufzufordern, um Schwachstellen innerhalb einer bestimmten Frist abhelfen zu können.
Das Recht, tätig zu werden: Die Mitgliedstaaten sollen zukünftig gemeinsame Einsätze und Soforteinsätze für Grenzsicherungszwecke sowie den Einsatz der europäischen Grenzschutz- und Küstenwache-Teams zu deren Unterstützung fordern können. Für den Fall, dass Mängel fortbestehen oder ein Mitgliedstaat einem erheblichen Migrationsdruck ausgesetzt ist, wodurch der Schengen-Raum gefährdet wird, und auf nationaler Ebene keine oder nicht ausreichende Maßnahmen ergriffen werden, soll die Kommission zukünftig ermächtigt werden, einen Durchführungsbeschluss zu erlassen, in dem sie feststellt, dass die Lage in einem bestimmten Abschnitt der Außengrenzen Sofortmaßnahmen auf europäischer Ebene erfordern. Dadurch wird es der Agentur ermöglicht, tätig zu werden und europäische Grenzschutz- und Küstenwache-Teams einzusetzen, um dafür zu sorgen, dass vor Ort auch dann gehandelt wird, wenn ein Mitgliedstaat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Überwachung durch die Küstenwache: Die nationalen Küstenwachen sollen Teil des Europäischen Grenz- und Küstenschutzes werden, soweit sie grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnehmen. In diesem Zusammenhang sollen die Mandate der Europäischen Fischereiaufsichtsagentur und der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs an den neuen Europäischen Grenz- und Küstenschutz angepasst werden Die drei Agenturen sollen dann in der Lage sein, gemeinsame Überwachungsmaßnahmen durchzuführen, zum Beispiel durch den gemeinsamen Betrieb ferngesteuerter Luftfahrtsysteme (Drohnen) im Mittelmeerraum.
Mandat für die Arbeit in Drittländern: Die Agentur soll ein neues Mandat zur Entsendung von Verbindungsbeamten und zur Organisation gemeinsamer Einsätze mit benachbarten Drittländern, auch in deren Hoheitsgebiet, erhalten.
Stärkere Rolle bei der Rückführung: Eine europäische Rückführungsstelle soll nach dem Willen der Europäischen Kommission innerhalb der Agentur eingerichtet werden, die es ermöglichen wird, europäische Einsatzteams für Rückführungen mit Begleitpersonen, Beobachtern und Rückführungsfachleuten bereitzustellen, die für die effektive Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger sorgen werden. Um in Drittländern eine größere Bereitschaft zur Aufnahme von Rückkehrern zu erreichen, schlägt die Europäische Kommission die Einführung eines europäischen Standard-Reisedokuments für die Rückführung vor.
Innere Sicherheit gewährleisten: Die Agentur soll auch die Aufgabe erhalten, unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte in ihre Risikoanalysen auch die grenzüberschreitende Kriminalität und den Terrorismus einzubeziehen und mit anderen EU-Agenturen und internationalen Organisationen bei der Terrorismusprävention zusammenzuarbeiten.
Änderung des Schengener Grenzkodex
Zur Erhöhung der Sicherheit im Schengen-Raum schlägt die Kommission eine gezielte Änderung des Schengener Grenzkodex vor, um obligatorische systematische Kontrollen von EU-Bürgern an den Land-, See- und Luftaußengrenzen einführen zu können. Obligatorische Kontrollen von EU-Bürgern sollen mit Hilfe von Datenbanken wie dem Schengener Informationssystem, der Interpol-Datenbank für gestohlene und verlorene Reisedokumente und einschlägiger nationaler Systeme erfolgen, um sicherzugehen, dass die ankommenden Personen keine Bedrohung für die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit darstellen. Durch den Vorschlag wird auch die Notwendigkeit hervorgehoben, die biometrischen Identifikatoren in Reisepässen von EU-Bürgern zu überprüfen, wenn Zweifel an der Echtheit des Passes oder der Legitimität des Inhabers bestehen. Kontrollen sollen zudem auch bei der Ausreise aus der Europäischen Union verbindlich vorgeschrieben werden.
Der Erste Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, zuständig für bessere Rechtssetzung, interinstitutionelle Beziehungen, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechtecharta erklärte anlässlich der Vorstellung der Vorstellung: "In einem Raum der Freizügigkeit ohne Binnengrenzen müssen wir die Verantwortung für das Management der Außengrenzen Europas gemeinsam tragen. Die Krise hat eindeutige Schwachstellen und Lücken der bestehenden Mechanismen, mit denen die Einhaltung der EU-Normen sichergestellt werden soll, offengelegt. Daher ist es nun an der Zeit für den Übergang zu einem wirklich integrierten Grenzmanagementsystem….."
Der für Migration, Inneres und Bürgerschaft zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos, ergänzte: "Die derzeitigen Herausforderungen in den Bereichen Migration und Sicherheit machen nicht an den Grenzen Halt und erfordern ein wahrhaft europäisches Konzept. Während Frontex beim Management der Außengrenzen auf die Unterstützung der Mitgliedstaaten beschränkt war, wird die neue Grenzschutzagentur darüber hinaus gehen. Wir schaffen heute mehr Europa: um unsere Außengrenzen zu verwalten, die Rückführung irregulärer Migranten zu intensivieren, das reibungslose Funktionieren unseres Asylsystems für die Schutzbedürftigen zu gewährleisten und die Kontrollen an den Außengrenzen der Europäischen Union zu verstärken. Durch das heute vorgestellte Grenzschutzpaket werden mehr Sicherheit für unsere Bürger und ein hoher Grenzmanagement-Standard gewährleistet."
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hatte zum Start der niederländischen Ratspräsidentschaft am 07.01.2016 in Amsterdam im Beisein von Kommissionspräsident Juncker die Schwerpunkte der Niederlande für die sechsmonatige Ratspräsidentschaft dargelegt und angekündigt, jeden Monat ein Ministertreffen anzusetzen, um die Vorschläge der Europäischen Kommission für einen gemeinsamen europäischen Grenzschutz schnell voranzubringen; Rutte hat erklärt, er wolle bis zum Ende der niederländischen Ratspräsidentschaft den europäischen Grenzschutz verabschiedet haben.
Quelle und weitere Informationen:
- EU-Aktuell vom 15.12.2015
- EU-Aktuell vom 07.01.2016
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (25.01.2016) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.